Von Stephan Schöttl |KaufbeurenDie Parklücke ist eng. Doch es müsste reichen. Denkste. Ein dumpfer Stoß, splitternde Rückleuchten und Dellen am angefahrenen Auto. Niemand hat etwas gesehen - also nichts wie weg. "Die Unfallflucht ist zu einem echten Volkssport geworden", sagt Werner Lades. Gemeinsam mit Hans Kirchner macht er sich bei der Kaufbeurer Polizei auf die Suche nach flüchtigen Autofahrern. Und die werden in der Tat immer mehr. In ganz Bayern sind es inzwischen rund 65000 pro Jahr, in Kaufbeuren wurden im vergangenen Jahr 266 Unfallfluchten angezeigt. 103 davon klärten die Polizisten auf.
Die Arbeit der Polizei beginnt mit der Besichtigung der Unfallstelle. In den meisten Fällen übernehmen diese Aufgabe noch die diensthabenden Streifen. Danach allerdings steigen auch Lades und Kirchner ein. Es werden Spuren wie Lacksplitter und Fahrzeugteile eingesammelt, der Unfallort fotografiert, Zeugen befragt. Im Büro puzzeln die beiden Einzelteile zusammen und fahnden unter der Lupe mit Hilfe von Lack- und Farbspuren nach möglichen Fahrzeugtypen. Dabei helfen zwar oftmals das Internet, Autokataloge oder das Register des Kraftfahrtbundesamtes. "Es ist aber auch das gewisse Quäntchen Glück notwendig", sagt Kirchner.
Etwa 40 Prozent der Unfallfluchten, die von der Polizei verfolgt werden, klären sich früher oder später auf. "Manchmal haben wir einen Fall nach 20 Minuten bereits erledigt, manchmal brauchen wir vier bis fünf Wochen", erklärt Lades. Je länger die Ermittlungen andauern, desto schwerer sei die Arbeit. Zwei Jahre haben die Unfallfluchtfahnder Zeit, dann verjährt die Straftat.
Die Kriminaltechnik sei inzwischen aber so weit fortgeschritten, dass die Unfälle fast gänzlich rekonstruiert werden können. In vielen Fällen wird mit Gutachtern und Staatsanwaltschaft gemeinsam gearbeitet. Etwa dann, wenn sich die beiden Polizisten nicht einig sind, ob sich der Aufwand der Ermittlungen bei kleineren Schäden überhaupt lohnt. Lades erinnert sich an einen speziellen Fall: Er fahndete nach einem Fiat Uno, einem echten Massenprodukt.
Er hatte eindeutige Hinweise, Baujahr und Kennzeichen bereits eingeschränkt. "Am Ende hatte ich 1300 Autos, die in Frage kommen", sagt er. 150 davon fuhr er direkt an. Ergebnislos. "So sieht unsere tägliche Arbeit aus", meint Kirchner. Hauptmotiv für die Flucht nach einem Unfall sei die Angst vor dem Verlust des Führerscheins - sollte der Unfall unter Alkoholeinfluss passiert sein. "Viele haben aber auch Angst, dass die Versicherung teurer wird", sagt Kirchner. Ältere Menschen hingegen würden oft angeben, den Unfall gar nicht bemerkt zu haben. Inzwischen haben die Polizisten auch mit einem anderen Phänomen zu kämpfen: den vorgetäuschten Unfallfluchten. "Wir müssen tatsächlich oft erst einmal herausfinden, ob es wirklich einen Unfall gab", meint Lades. Knapp zehn Prozent aller Anzeigen seien fingiert - in erster Linie aus Scham oder Angst, den Unfall einzugestehen.
