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Ein Altbürgermeister schreibt seine Erinnerungen nieder

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Ein Altbürgermeister schreibt seine Erinnerungen nieder

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    Andreas Wassermann hatte in Günzach viele öffentliche Ämter Von Konrad Lang Günzach Die Heimat ist ihm ein Stück seines Lebens. Er hat viel dafür gearbeitet. Ob als Gemeinderat, ob als Mitglied des Kreistages, ob beim Kirchenbauverein, ob als Vorsitzender der Feuerwehr. Und von 1972 bis 1984 war er Erster Bürgermeister der Gemeinde Günzach: Andreas Wassermann. 1984 wurde ihm die höchste Auszeichnung verliehen, die eine Gemeinde vergeben kann ­ die Ehrenbürgerwürde. Ende vorigen Jahres feierte er seinen 85. Geburtstag. Er hat ein blendendes Gedächtnis. Auf 70 Seiten hat er seine Erinnerungen niedergeschrieben. Es sind persönliche Erlebnisse, aber es ist auch die Geschichte der Gemeinde über einen Zeitraum von bald einem Jahrhundert.

    1914, also während des Ersten Weltkrieges, kam der kleine Andreas in Albrechts zur Welt. Noch ganz genau erinnert er sich an den 1. Mai 1920, als ihn seine Mutter zum ersten Schultag nach Günzach begleitete. Das Schulhaus, ganz im Schatten des mächtigen Schlossgebäudes, gefiel ihm aber nicht so recht. In dem düsteren unteren Lehrsaal waren die Klassen eins bis drei untergebracht. 'Die damalige Lehrerin, Fräulein Würstle, die wenig Wärme, dafür viel Korrektheit ausstrahlte, ließ auch keine frohe Stimmung aufkommen', so seine Erinnerung.

    Auf dem väterlichen Bauernhof, auf dem die Kinder früh mitarbeiten mussten, gab es 28 Milchkühe und entsprechendes Jungvieh. Vier Familienangehörige und sieben Dienstboten waren für die Arbeit notwendig. Mit die schönste Abwechslung war für den jungen Andreas das Obergünzburger 'Freischießen' mit Blasmusik und Kasperltheater.

    Dornschlehen gesammelt

    1923 kam die große Geldentwertung, die Inflation. Da hatte er eines Tages mühevoll einen Liter Dornschlehen gesammelt. Die konnte man bei der Schlossbrauerei abgeben, dort wurde daraus Schnaps gebrannt. 20 Millionen Mark bekam er dafür. Stolz trug er diesen Erlös heim ­ aber der tatsächliche Wert waren nur Pfennige. 1921 wurde der Ort an das elektrische Stromnetz angeschlossen. Um diese Zeit sah man auch die ersten Autos über schlechte Kiesstraßen rattern. Eine besondere Anziehungskraft übte für die Kinder damals der Günzacher Bahnhof aus: 'Tor zu einer großen, unbekannten Welt'.

    Gruppen von Bettlern

    Von den politischen Geschehnissen hörte er aus den Gesprächen der Erwachsenen 'von Kommunisten, Spartakisten oder Räteregierung'. 1929 macht sich die Weltwirtschaftskrise auch im Allgäu bemerkbar. Der Milchpreis sank ständig, die Arbeitslosenzahl stieg von Tag zu Tag. In ganzen Gruppen zogen die Bettler von Haus zu Haus. 'Meist bekamen sie zwei Pfennige oder ein Stück Brot'. Besonders für junge Menschen war die Zeit trostlos. Das war der Nährboden für die NSDAP. Dann kam der Zweite Weltkrieg, den Andreas Wassermann von 1939 bis 1945 mitmachen musste, zuerst in Frankreich, dann in der Eismeerregion. Als am 5. Mai 1945 die Nachricht vom Waffenstillstand kam, 'da war es ein unbeschreibliches Gefühl'. Ein Leben in Frieden begann; für Andreas Wassermann Anlass, sich für viele Angelegenheiten der Allgemeinheit zu engagieren.

    1952 wurde er Mitglied des Gemeinderats, ab 1964 Zweiter Bürgermeister, 1972 wählten ihn die Bürger zum Ersten Bürgermeister. Das erste, was unter seine Amtszeit fiel, war der Bau des Gemeindesaals und die Einrichtung eines Kindergartens.

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