Oberstdorf/Altstädten: Eigenes Leben an Nebelhorn riskiert, um fremdes zu retten

27. Januar 2009 00:00 Uhr von Allgäuer Zeitung
privat

Einsatz - Alfred Rothmayr aus Altstädten hält eine Seniorin vom Suizid ab und bringt sich selbst dabei in größte Gefahr

An sein eigenes Leben dachte Alfred Rothmayr nicht, als er sich selbst in größte Gefahr begab. Aber daran, dass sein Rettungsversuch misslingen und die Frau doch noch 400 Meter in die Tiefe stürzen könnte. Der 49-jährige Altstädter hatte am Gipfel des Nebelhorns im Sommer sein Leben riskiert, um eine Urlauberin zu retten, die Suizid begehen wollte.

"Ich sollte einfach zu genau dieser Zeit da sein", sagt er rückblickend. Als Hirte auf der hinteren Seealpe brachte er gerade Material aufs Nebelhorn. Dabei traf er auf einen Oberstdorfer Bergwachtkollegen und erfuhr von einer Frau, die am Gipfel ihrem Leben ein Ende setzen wollte. Kurz entschlossen bot er seine Hilfe an und machte sich auf den Weg zur Nordwand. "Die alte Dame war schon über die Absperrung geklettert und stand auf einem kleinen Felsvorsprung", erinnert sich der 49-Jährige. Sein erster Gedanke: "Was bewegt einen Menschen zu einem solchen Schritt?"

Er stieg selbst über das Stahlseil, näherte sich der Frau bis auf etwa drei Meter und sprach sie an. Zunächst, da habe sie kaum reagiert, weiter in die Tiefe gestarrt. Doch gelang es ihm als Einzigem unter den Rettungskräften, Zugang zu der verzweifelten Urlauberin zu finden. Mehrere Bergwachtkollegen, der Rettungsdienst und die Polizei waren inzwischen vor Ort. Zusammen mit dem Notarzt Michael Lachenmair sprach der Altstädter bei Nebel über Stunden mit der Frau.

Über Handy stand das Einsatzteam in Kontakt mit der Krisenintervention der Bergwacht, zudem hatte die Polizei recherchiert und Persönliches über die Frau herausgefunden. "Wir bekamen Zettel mit diesen Informationen zugespielt, erfuhren etwa, dass sie gerne anderen Menschen hilft. So konnten wir das Gespräch am Laufen halten, da gab sich ein Wort das andere", erinnert sich Rothmayr.

Er konnte die Frau nach und nach überreden, sich wenige Schritte von der Felskante zu entfernen und sich hinzusetzen. "Ich habe mich immer weiter an sie rangetastet", erzählt der 49-Jährige. Das Rettungsteam hatte ihm zudem ein Seil mit Schlinge von hinten zugeworfen, an dem er sich selbst festhalten konnte. "Jetzt musste ich sie irgendwie ablenken", berichtet Rothmayr weiter, warf daher einen Stein in die Tiefe, dem die zierliche Dame nachblickte. "Ich wusste, dass das meine Chance war. Das Seil ums Handgelenk habe ich die Frau gepackt und zurückgezogen." Wie gefährlich die Situation für ihn selbst war, wurde Rothmayr erst später bewusst.

"Sie hat gelacht und sich bei mir bedankt"

Für ihn selbst war der Fall erst nach etlichen Wochen abgeschlossen. "Ich wollte einfach wissen, ob sich mein Einsatz gelohnt hatte", erinnert sich der Altstädter. Und so besuchte er die Urlauberin zu Hause. "Sie hat gelacht und sich bei mir bedankt", erzählt er. Fest steht für den 49-Jährigen damit: Er würde alles ganz genau so wieder machen.