Startseite
Icon Pfeil nach unten
Allgäu
Icon Pfeil nach unten

Eigenes Geld zur Stunde Null

Allgäu

Eigenes Geld zur Stunde Null

    • |
    • |

    Von Peter Schwarz Kleinwalsertal Das Kriegsende im Kleinwalsertal am 2. Mai 1945 endete ohne Blutvergießen und Zerstörung. Walser Patrioten, wie sich die Widerständler um Peter Meusburger (Mittelberg) nannten, übergab das Tal kampflos an französische Soldaten, genauso wie im benachbarten Oberstdorf. Doch anders als unterm Nebelhorn erlebten die Walser ihre Stunde Null und die Wochen danach: Die 1938 beim Anschluss Österreichs dem deutschen Gau Schwaben zugeschlagenen Bewohner mussten noch bis September warten, bis sie wieder österreichische Staatsbürger im Land Vorarlberg waren. Stefan Heim, Archivar im Gemeindeamt Riezlern, hat es nicht leicht, die wechselvolle jüngere Geschichte aufzuarbeiten. Im Auftrag des Bürgermeisters soll Heim die damalige Umbruchzeit zwischen Walserschanze und Widderstein für einen Beitrag in der österreichischen Kommunalzeitung aufarbeiten. Wir haben das ganze Heimatmuseum umgeräumt, aber kaum Fotografien von damals gefunden, bedauert der Gemeindebedienstete. So muss sich Heim weitgehend auf Veröffentlichungen stützen, die mitunter von einer überaus patriotischen rot-weiß-roten Haltung gefärbt sind, etwa die Aufzeichnungen von Heimatschutz-Kommandant Meusburger. Daneben baut der Archivar allerdings auch auf das 1987 im Bregenzer Verlag J. N. Teutsch erschienene Buch Festung Vorarlberg (Autor Georg Schelling) sowie auf das literarisch überhöhte Werk der inzwischen verstorbenen Walser Schriftstellerin Irmin Schwendiger Der große Widderstein erzählt. Diplomaten eingesperrt10000 Menschen waren in den letzten Kriegstagen im Kleinwalsertal versammelt, fanatische Reichsdeutsche, verschanzte SS in Berghütten, Bombenopfer und verwundete Soldaten. Im damaligen Hotel Ifen wurden französische, italienische und griechische Diplomaten sowie Offiziere von den Nationalsozialisten interniert, darunter der bis 1938 in Berlin residierende französische Botschafter André Francois-Poncet. Er sollte bei der unblutigen Übergabe der Talschaft und auch von Oberstdorf in den letzten April- und in den ersten Maitagen eine bedeutende Vermittlerrolle einnehmen.

    Nach dem Krieg setzte sich Francois-Poncet, dessen Sohn sogar Außenminister seines Landes wurde, in hohen diplomatischen Ämtern für die deutsch-französische Aussöhnung ein. Erst am 10. Mai besetzten französische Truppen, vorwiegend Marokkaner, das Territorium endgültig. Bis dahin hatte die schnell auf 120 Heimatschützer angewachsene einheimische Befreiungsorganisation Recht und Ordnung überwacht, obwohl immer noch viele deutsche Soldaten auf ihrer Flucht vor der näher rückenden Front durch das Tal strömten. Das Kleinwalsertal verspürte in den Mai- und Junitagen aber auch einen Hauch von europäischer Geschichte. Der Oberbefehlshaber der französischen Streitkräfte und spätere Staatspräsident Charles de Gaulle nahm hier ebenso Paraden ab wie der französische Armee- Kommandeur General de Lattre de Tassigny, später Oberbefehlshaber der NATO-Landstreitkräfte. Die Franzosen hatten es den Walsern nicht verübelt, dass sie beim Eintreffen ihrer militärischen Vorhut an der Walserschanze von den Einheimischen mit einem großen Transparent Here is Austria willkommen geheißen wurden. Die Heimatschutz-Truppe hatte amerikanische Soldaten erwartet. Unter dem neu eingesetzten Bürgermeister Gedeon Fritz wurde das staatspolitische Vakuum mit eigenem Geld überbrückt. Ortskommandant und Metzgermeister Meusburger ließ es drucken. Sinnigerweise zeigten die Gutscheine für Reichsmark einen Reiter auf einem Schwein. Die Walser Befreier vom Hitler-Regime mussten lange auf eine Ehrung warten. Meusburger erhielt erst wenige Jahre vor seinem Tod eine Verdienstmedaille des österreichischen Staates. Immerhin bis September 1945 dauerte es, bis das Land Vorarlberg mit dem Kleinwalsertal in der neu entstandenen Alpenrepublik integriert war. Davon kündete zuletzt eine Ausstellung im Landhaus Bregenz.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden