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Eiche rustikal steht völlig im Wald

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Eiche rustikal steht völlig im Wald

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    Stefan Binzer: Mein Tag in der Schreinerei der Immenstädter Baufirma Theobald Mayer Immenstadt. Wo gehobelt wird, da fallen Späne. Besonders muss das ja für eine Schreinerei gelten. Dachte ich bisher wenigstens. Irrtum: Der Hobelkommt allenfalls noch im Namens-Zeichen der Schreinerei Theobald Mayerim Immenstädter Kästobel vor. Dort be- herrschen moderne Maschinen die Hallen. Computergesteuerte Präzisions-Kreissäge, automatischer Vierkanthobler und Kantenanleim-Maschine bestimmen die Arbeitsabläufe. Dennoch bleiben viele Handgriffe übrig - und Zeit für kreatives Schaffen. Zieh dir alte Sachen an. In einer Schreinerei staubts sichergewaltig. Den guten Rat eines Freundes beherzige ich und tanze mit Blaumann und ausgelatschten Turnschuhen an - mitten in der Nacht um7 Uhr. Nichts für Journalisten, die zwar oft bis Mitternacht arbeiten,in der Regel aber nicht vor 9 Uhr in der Früh. Zu dieser Zeit machtdie Belegschaft der Schreinerei bereits Brotzeit. Besonders staubig ist es übrigens nicht in der Werkstatt. Über jeder Maschine hängt eine große Absaugvorrichtung. Von dort gelangt das Sägemehl über Rohre an der Decke zur Heizung. Die Schreinerei istdamit brennstoffmäßig fast autark: Wir erzeugen die nötige Wärme miteigenem Material. Nur an ganz kalten Tagen müssen wir ein paar LiterÖl dazugeben, erklärt Wolfgang Schmid, Geschäftsführer der Baufirma Theobald Mayer, zu der die Schreinerei gehört. Die Schreinerei einer Baufirma: Da arbeiten die Schreiner wohl vielauf dem Bau? Schon wieder so ein Holzweg: Wenn die Baufirma von unswas braucht, machen wir das natürlich, sagt Meister Roland Rasch. Aber der größte Teil der Produktion sind Auftragsarbeiten. Küchen vorallem. Etwas teurere zwar als vom Möbel-Supermarkt, dafür aberabsolute Maßarbeit: Wenn die Leute für ihre Dachschräge von der Stange nichts finden, dann kommen sie zur Schreinerei. Für uns gibt es keinen Winkel und keine noch so krumme Wand, die wirnicht umbauen können und zwar nicht bloß mit Sichtblenden, sondern mitsinnvollen Schubladen und Ähnlichem, ist Rasch stolz auf sein Handwerk. Sogar ganze Bäder samt Armaturen und Beleuchtung liefert die Schreinerei. Jetzt weiß ich also schon einiges über diesen Beruf, der in Norddeutschland Tischler heißt. Auch dass die Ausbildung dazu drei Jahre dauert und die Stifte in dieser Zeit tatsächlich noch lernenmüssen, den guten alten Handhobel zu beherrschen und zwar auf den Millimeter genau. Wäre ich nicht Redakteur geworden, sondern hätte etwas Anständigesgelernt - mein Interesse hätte durchaus dem Schrei-nerberuf gegolten.

    Denn mit Holz habe ich immer schon gern gearbeitet, seit ich als Knirps eine Laubsäge geschenkt bekommen habe und später meinem Vaterbeim Bäumefällen helfen durfte. Also will ich nun auch irgend ein Stück Holz bearbeiten. Als Knirps Laubsäge bekommen Stirnrunzeln bei den Profis. Was kann denn so ein Schreibtischtäter inein paar Stunden fertig bringen, ohne sich dabei die Finger abzusägen?Na ja, versuchen wir es mal mit einem Regalboden. So etwas habe ichbisher meist im Heimwerkermarkt gekauft, ohne zu ahnen, wie viel Arbeitsschritte nötig sind, um solch ein Stück fachgerechtherzustellen. Zunächst einmal muss ich eine riesige Spanplatte, die die Schreinereiübrigens von einem Holzgroßhändler bezogen hat, auf die Plattensägewuchten. Das Ding ist sauschwer, mindestens zwei Zentner und nur mit Hilfe eines zweiten Mannes zu bewegen. Alexander Wagner, Lehrling imdritten Jahr, fasst mit an und meint, das geht jetzt ins Kreuz undmorgen werde ich das schon merken Finger nicht spreizen Nach dem groben Zuschnitt erfolgt der präzisere Schnitt auf der Kreissäge: Die Finger bloß nicht spreizen und das Holz schön gegenden Parallelanschlag drücken, ist Meister Rasch um meine Gesundheitbesorgt. Aber mit viel Respekt vor den 54 scharfen Zähnen des Sägeblatts bringe ich einen glatten Schnitt zustande. Die Scheiberotiert übrigens mit 7000 Umdrehungen pro Minute und verursacht dabeieinen gehörigen Lärm. Deshalb muss ich Kopfhörer aufziehen,Micky-Maus-Ohren, wie der Auszubildende Erik lacht. Die nächsten Arbeitsschritte sind, den Massivholz-Anleimer aus Birnezuzuschneiden und mit der Kantenanleim-Maschine mittels Schmelzkleberanzupressen. Ich lerne, dass die nur neun Millimeter starke spätere Oberfläche meines Regalbretts Furnier heißt und je nach Kundenwunschaus einer Vielzahl von Echthölzern ausgesucht wird. Ich entscheidemich erneut für Birne, obwohl ich sie nicht von Nußbaum oder Eicherustikal unterscheiden kann. Apropos Eiche rustikal: steht im Augenblick völlig im Wald. Die Leute wollen zur Zeit helle Hölzer, Ahorn oder Birke. Buche zum Beispiel geht wie die warmen Semmeln, klärt mich Rasch über die Mode im Schreiner-Handwerk auf. Das ändere sich alle paar Jahre. Jetzt fehlt nur noch der Lack auf meinem Prunkstück. Aber das schaffeich nicht mehr ganz vor Feierabend. Denn der Lack muss nach dem Auftragen gescheit aushärten. Beim Thema Lack schmunzelt der Meister:Vor ein paar Jahren auf dem Höhepunkt der Bio-Welle sei Bienenwachs,am besten gebürstet, als Oberflächenschutz sehr gefragt gewesen. Diemeisten Öko-Freaks würden aber nicht wissen, dass bei der Verarbeitungvon Bienenwachs Terpentin verwendet werde. Und das sei sicher nichtgesünder als ein Lack, der vollkommen aushärtet und dann kein Milligramm mehr abgibt, wenn man da-rüberwischt. Ende des Rollentausches Schwamm drüber also über noch so eine Mode, die einem Fachmann nurein müdes Lächeln abringt. Ende auch meines Rollentausches. Jetzt habich zwar einen fast fertigen Regalboden, dafür aber kein ganz sogroßes Brett mehr vor dem Kopf, wenn ich mal etwas über ei

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