Von Markus Noichl, Sonthofen - Gesangskunst von überirdischer Reinheit bot das Ensemble Amarcord bei seinem Konzert in der St. Michaels-Kirche in Sonthofen. Am Ende dieses Auftrittes beim Oberstdorfer Musiksommer bewiesen die Künstler, dass sie auch Entertainer-Qualitäten haben. Der erste Teil des Programmes war geistlicher Musik gewidmet. Kompositionen von Thomas Tallis (1505 bis 1585) und seinem Schüler William Byrd (1543 bis 1623) verströmten Ruhe und Frieden im Kirchenraum. In engelsgleicher Mühelosigkeit flossen die meditativen Stimmgeflechte dahin. Musik, wie sie weicher und runder kaum sein könnte. Einen schönen Kontrast dazu boten zwei anonyme englische Werke des 13. Jahrhunderts, wesentlich kantiger und rhythmischer, wie klanggewordene Kristalle. Mystische Klänge aus unserer Zeit hörte man von John Tavener (geboren 1944). Dieser englische Komponist ist Mitglied der Russisch-Orthodoxen Kirche und greift in seinen Werken auch auf deren Tradition zurück. So öffneten sich im ersten Teil drei verschiedene musikalische Fenster in die Ewigkeit.
Nach der Pause erklang ein Zyklus, den Edward Elgar (1857 bis 1934) auf Verse aus der griechischen Antike komponierte. Schwärmerische Zeilen ('Ja, hoch von den Bergen wirf mich in die Tiefen des Ozeans'), mit spätromantischer Raffinesse vertont. Zum Finale Kostproben zeitgenössischer Musik, die allesamt das Herz erreichten und bewiesen, dass auch junge Komponisten dem Melos vertrauen. Sätze aus dem Zyklus 'unseen blue', den 'Armacord' bei Bernd Franke in Auftrag gab, zeigten die Vielschichtigkeit moderner Klangsprache. Ein Kabinettstückchen war die jazzige Bearbeitung, die der Petersburger Michael Serkow Johann Sebastian Bachs Aria 'Bist du bei mir' angedeihen ließ. Die Finnin Mia Helander fand für 'Down by the Sally Gardens' des Iren William Butler Yeats bewegende melancholische Töne. Und mit 'Blackbird' Paul Mc Cartney und 'Rain in May' Max Werner streife das Quintett durch unterhaltsame Gefilde, ohne das Niveau abzusenken. Bei der Zugabe, dem Negro-Spiritual 'Dry Bones', gewürzt mit schauspielerischen Einlagen, swingten die Mannen von 'Amarcord' unwiderstehlich. Ein schlichtes Liebeslied schließlich gab es auf den Heimweg mit. Fünf Stimm-Virtuosen, die sich mühelos über Grenzen hinwegsetzen.