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"Die Zeit ist endlich geworden"

Oberstdorf

"Die Zeit ist endlich geworden"

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    Es dauert zwar noch fast ein Vierteljahr, bis der Oberstdorfer Musiksommer 2010 beginnt, aber im Büro des Klassikfestivals herrscht bereits Hochbetrieb: Kartenwünsche von Sponsoren gilt es zu berücksichtigen, Zimmer für die Künstler zu reservieren, Anmeldungen von Musikstudenten zu bearbeiten Da fällt es der Leiterin dieses Büros schwer, ein paar Minuten zu erübrigen. Etwa um innezuhalten und Vergangenes zu reflektieren. Der Anlass dazu wäre vorhanden: Heute feiert Helga Große Wichtrup ihren 70. Geburtstag.

    Die gebürtige Oberstdorferin steht zu diesem Alter. Auch wenn man ihr, die in ihrem Leben schwere Schicksalsschläge verarbeiten musste, die 70 Jahre nicht ansieht. Die Mutter dreier Kinder und Großmutter zweier Enkel zieht für sich die Erkenntnis daraus: "Jetzt bin ich in einem Alter, wo man mit seinen Kräften haushalten sollte. Die Zeit ist endlich geworden."

    Deshalb möchte Helga Große Wichtrup auch künftig etwas kürzertreten. Etwa beim Musiksommer. Denn die Arbeit für das Klassikfestival sei "kein Nebenjob", sondern eine Ganzjahresaufgabe und "geht an die Substanz". Schließlich müsse alles funktionieren. Und für jede Tätigkeit müsse man Rede und Antwort stehen: "Schließlich sind wir Kuratorium, Sponsoren und Mitgliedern Rechenschaft schuldig."

    Als der damalige Oberstdorfer Bürgermeister Eduard Geyer Helga Große Wichtrup vor 18 Jahren bat, das Klassikfestival vor Ort zu betreuen, hatte die gelernte Bankkauffrau und am Augsburger Konservatorium ausgebildete Musikerin keine Ahnung, worauf sie sich einließ. Sehr schnell war klar, dass Sie sich nicht nur um Karten und Meisterkursanmeldungen kümmern sollte, sondern auch um die Buchhaltung des Festivals, das Cellist Peter Buck, Mitglied des renommierten Melos-Quartetts, mit seiner Cellisten-Kollegin Ulrike Loesch ins Leben rief.

    War der erste Musiksommer noch auf den Kurort beschränkt und "intim", wie sich Helga Große Wichtrup erinnert, so präsentiert das Klassikfestival heute in drei Wochen rund 40 Konzerte vom Kleinwalsertal bis Ottobeuren, von Isny bis Vorderburg. Und bei jedem dieser Konzerte begrüßt einer aus der Festivalleitung die Gäste, um der Veranstaltung eine persönliche Note zu geben.

    Neben dem Künstlerischen Leiter Peter Buck und dessen Frau Rosalinde Brandner-Buck, der Marketing-Expertin des Festivals, zählt zu dieser Trias auch Helga Große Wichtrup.

    Mit ihrer warmherzigen und liebenswürdigen Art ist Helga Große Wichtrup heute für viele Besucher zu einer zentralen Anlaufstelle der Veranstaltung geworden. Nicht selten wird sie von Gästen um Rat gefragt angesichts der Fülle der Konzerte: "Wo würden Sie denn reingehen?"

    Helga Große Wichtrup unterstützt den "Mut zum Experiment", den das Festival mitunter wagt. "Ich kann nicht pausenlos nur Harmonien bringen", ist sie überzeugt. Sie selbst liebt als Musikerin die Vielseitigkeit. Beim Musizieren finde sie Entspannung, ebenso wie beim Lesen oder Wandern.

    Sie unterrichtet Geige am Gymnasium Sonthofen, spielt "seit 50 Jahren" bei Festgottesdiensten in der Oberstdorfer Pfarrkirche mit, pflegt mit der Fischinger Stubenmusik traditionelles Volksgut und mit der Oberallgäuer Orchestervereinigung Klassik. Ehrenamtlich führt sie außerdem die Finanzen für den Förderverein der Sonthofer Albert-Schweizer-Schule.

    Ein Engagement allerdings blieb ihr - dank göttlicher Vorhersehung, wie sie heute meint - erspart: Auf Drängen des damaligen Bürgermeisters Thomas Müller ließ sie sich als kulturkundige Kandidatin für den Gemeinderat aufstellen und wurde nicht ins Gremium gewählt. "Es wäre dann wohl doch zuviel geworden", sagt sie heute erleichtert. Denn schließlich ist sie zeit ihres Lebens bei allem, was sie tat, einer Devise treu geblieben: "Ich hab mich immer voll eingebracht."

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