"Mein Traum war immer, dass Deutschland wieder zusammenwächst." Lothar Smalun sitzt in der Cafeteria des Allo-Heimes in Sonthofen. Dort hilft er ehrenamtlich aus. Vor fünfzehn Jahren zog der Thüringer samt Frau Dagmar und Sohn Silvio nach Oberstdorf. Denn der damals 15-jährige Silvio hatte großes Potenzial als Eiskunstläufer. "Die Bedingungen am Oberstdorfer Sport-Internat waren einfach besser als in Thüringen", sagt Smalun.
Zur Zeit des Mauerfalls lehrte und arbeitete der heute Pensionierte an der Berufsschule für Mikroelektronik in Erfurt. Ihm war klar, dass er sich nach einem anderen Job umsehen musste. Denn die Schule sollte bald geschlossen werden. Er wurde Weinvertreter, dann Leiter eines Möbelhauses. Das erste, was er sich 1990 im Westen kaufte, war ein Farbfernseher. "Der ging am gleichen Abend kaputt", lacht der 70-Jährige. Er habe ihn dann geöffnet - zum Vorschein kam ein Schaltkreis aus dem Werk, zu dem auch seine Schule gehörte. Das Bauteil habe er dann ausgewechselt. Und "der Fernseher geht bis heute".
Seinen ersten Tag als Oberstdorfer erlebte Lothar Smalun am Maifeiertag 1995 im Kurpark. Er lauschte bei Sonnenschein dem Konzert der Kapelle. In der Nähe stand eine Telefonzelle - er rief seine Frau an und sagte ihr: "Hör mal, wie guts mir geht."
"Die Thüringer sind wie die Allgäuer", erklärt Lothar Smalun. "Die wollen erst mal die Leute kennenlernen." Über den damaligen Leiter des Skiinternats, Thomas Müller, fand er Arbeit in einem Waltenhofer Möbelhaus. Sein erster Freund war Arbeitskollege Werner Lehner. Der lehrte ihn, die Allgäuer zu verstehen: "Beig des mal um" bedeutet "stell das mal um", "heben" bedeutet "halten" Seine Frau Dagmar begann, bei einer Oberstdorfer Bäckerei zu arbeiten, auch Sohn Silvio fühlte sich schnell wohl in der neuen Schule. "Es war klar, dass wir hier bleiben, und deshalb wollten wir uns einbringen.
" Er wurde Mitglied beim Eissportclub Oberstdorf und Trainer der Sonthofer Handballmannschaft.
Gab es Vorurteile? "Leute, die welche hatten, konnte ich nicht ernst nehmen", sagt er. "Es ist doch Quatsch, Unterschiede zwischen Menschen zu machen." Durch Offenheit und Leistung habe er schnell Zugang zu den "Hiesigen" gefunden. Dass er selbst vorbehaltlos auf andere zugeht, hat seinen Grund: Er stammt auch nicht aus Thüringen. Mit fünf Jahren kam er mit seiner Familie mit dem letzten Lazarettzug der Wehrmacht aus Westpreußen. in das Dörfchen Blankenhain. Nach dem Krieg saßen alle "in einem Boot". Daher habe er gelernt, wie wichtig Offenheit und Gemeinschaft seien.
Smalun hat immer auf die Wiedervereinigung gewartet: "Dieses Land gehört einfach zusammen." Sohn Silvio lernte die Ravensburger Eiskunstläuferin Christiane Fischer kennen und lieben. Dieses Jahr heirateten die beiden und leben in Stuttgart. Lothar Smalun: "Eine bessere Ost-West -Verbindung gibt es nicht." (bdt)