Gespräche mit Kurheimbesitzern über Rückgang der Gäste Von Barbara Hell Oberstaufen Der Jahresbericht der Kurverwaltung für 2000 lässt keinen Zweifel: Verlierer des Jahres waren die Kurheime. Sie beherbergten 12,69 Prozent weniger Gäste und hatten 12,44 Prozent weniger Übernachtungen, heißt es dort klipp und klar. Eine Umfrage des Allgäuer Anzeigeblatts bei Oberstaufener Kurheimen zeigt ein eher verwirrendes Bild. Von sieben befragten Kurheimbesitzern und -besitzerinnen sprach lediglich eine von einem dramatischen Rückgang. In allen anderen Häusern mit einer Bettenkapazität zwischen fünf und 39 herrscht offenbar eitel Sonnenschein, jedenfalls nach den Worten ihrer Betreiber. Hinter vorgehaltener Hand wird zwar für möglich gehalten, dass andere Probleme mit der rückläufigen Anzahl an Schrothkurgästen haben könnten. Das eigene Haus aber sei dank Engagement, Freundlichkeit und präzise Einhaltung der Schrothkur-Regeln davon verschont geblieben. Zum Beispiel Margot Kaufmann: Über 90 Prozent der Gäste in ihrem Kurheim Allgäu sind Schrothler und fast alle sind Stammgäste. Seit 38 Jahren sorgt sie sich darum, dass die Besucher ihres Hauses die Schrothkur so original serviert bekommen, wies der Schrothverein festlegt. Sie achtet auf Trink- und Trockentage, kocht Pflaumensuppe und Gemüsebrühe und packt die Kurgäste sogar selbst ein, mit Bändern, wies korrekt ist, aber nicht mehr überall gemacht wird, fühlt sie sich geradezu als Schrothmutter, die selbst jedes Jahr einmal kurt und nicht zuletzt darauf ihre Fitness und Leistungfähigkeit zurückführt.
Im Alter von 65 Jahren, in dem andere längst pensioniert sind, nimmt sich Margot Kaufmann bisher lediglich die Freiheit, ab und zu mal eine Woche zu pausieren. Ansonsten ist sie rund um die Uhr für die Gäste da und erklärt unermüdlich, warum ein Arztbesuch vor der Kur notwendig oder das Einpacken gesundheitsfördernd ist. Auf ihre Persönlichkeit, den familiären Rahmen im Haus, die Geselligkeit und die vielen Gespräche führt sie die Treue ihrer Gäste zurück neben der Wirkung der Schrothkur, natürlich. Ein Problem allerdings teilt Margot Kaufmann mit anderen vom Allgäuer Anzeigeblatt befragten Kurheimbesitzern: Es gibt keine Nachfolge. Der Sohn ist Physiker, die Tochter Botschaftsangestellte: Da müsste ich schon auf die Enkel hoffen, und da ist der Älteste gerade mal sechs, sieht sie wenig Chancen für eine Zukunft des Hauses Allgäu als Familienbetrieb. Eine ebenfalls 65-jährige Kollegin, die ungenannt bleiben will, lehnt aus diesem Grund jede Neuanmeldung ab und nimmt nur noch Stammgäste, weil sie die Arbeit allein nicht mehr schafft ein Teil des Rückgangs der Kurgastzahlen mag auf das Konto solcher Selbstbeschränkung gehen. Die einzige Kurheimbesitzerin, die von einem dramatischen Rückgang der Gäste in ihrem Haus spricht, klagt vor allem über das Preis-Leistungs-Verhältnis in Oberstaufen: Wir sind zu teuer und die Konkurrenz an billigen Urlauben ist groß. Sie will ihre Übernachtungssätze senken und hofft, dass ihrem Beispiel auch die Gastronomie folgt. Die Preise sind einfach zu hoch, alles liegt an der oberen Grenze, egal obs der Bund Schnittlauch oder das Dirndl ist, meint auch eine Kollegin. Vor 15 Jahren seien die Gäste noch von allein gekommen, doch dies habe sich auch deshalb geändert, weil sie abgezockt werden, schimpft die langjährige Kurheimbetreiberin. Die Zukunft der kleineren Häuser hält sie dennoch für sicher: Hier bekommen die Schrothgäste die Kur noch so, wie sie sein sollte anders als in vielen Hotels, die ihre Besucher aus finanziellem Interesse zum Konsum verführen.