Von unserem Mitarbeiter Werner Hacker Füssen - In Palästen geboren sind diese drei aufgeweckten Buben nicht. Sie leben auf dem Jahrmarkt und nähern sich mit Neugier und Schaudern den Sensationen und Abnormitäten, die hier zur Schau gestellt werden. Damals vorne dabei: André Eisermann, Jahrgang 1967. Seine Eltern verdienen ihr Geld auf dem Rummelplatz. Wie das Leben hier ausgesehen hat, schildert Eisermann in seinem Buch '1. Reihe Mitte'. Im Füssener Festspielhaus saß er nun auf der Bühne, neben ihm sein vor einem Jahr erschienenes Werk. Die klug gewählten Auszüge aus dem 300 Seiten starken Text lagen auf einem Stapel vor ihm - als vergrößerte Kopien. Blatt für Blatt machte sich der Jungautor an die Arbeit und zeigte dabei, welch großartiger Schauspieler er ist. Als Otto-Darsteller im Ludwig-Musical füllt Eisermann - in ein exzellentes Regiekonzept gezwängt - nur eine einzige Rolle aus. Bei seiner 'Lesung' aber hat er die Freiheit, eine ganze Garde aus körperlich markanten Menschen aufmarschieren zu lassen. Schlangenfrauen und andere gesellschaftliche Außenseiter sind darunter. Die geschulte Stimme leiht Eisermann auch einigen Künstlerpersönlichkeiten, die sein neues Leben abseits der bunten Volksfeste beeinflusst haben. Eisermann macht es den rund 350 Besuchern im ersten Teil seiner insgesamt zweistündigen Lesung im Festspielhaus kinderleicht, mit ihm in der Fantasie über einen Vergnügungspark zu bummeln, dessen grelle und schummrige Lichter längst Geschichte sind. Wie Szenen aus einem alten Film tauchen Figuren wie der legendäre Artist auf, der sein Geld damit verdient, lebende Mäuse zu verschlucken und wieder auszuspeien. André und seine kleinen Freunde kommen Anfang der 1970er Jahre aus dem Staunen nicht mehr heraus - und das Publikum der Lesung amüsiert sich königlich. Die vorgestellten Passagen bieten viel Situationskomik.
Ein eher schüchterner Junge Eisermanns Fans erfahren, dass er als Kind dank einer Marionette ein Fan von Liza Minelli wurde und sie dank seiner Rolle im Film 'Kaspar Hauser' in Berlin persönlich kennen lernen durfte. Man sieht beide entspannt in einem Café nebeneinander sitzen: die Dame von Welt und den eher schüchternen Jungen aus dem pfälzischen Städtchen Worms, der im Kino eine ungeheuere Präsenz ausstrahlt. Eisermanns großartige Vortragskunst steigert sich nach der Pause auf unglaubliche Weise. Man glaubt hautnah dabei zu sein, wenn er sich als Schauspielschüler - zunächst vergeblich - bewirbt. Man spürt förmlich, wie er und die anderen Künstler unter der eigenwilligen Regie des George Tabori in Wien leiden. Doch die harten (Gedulds-)Proben für eine Aufführung der Oper 'Zauberflöte', die hier sehr humorvoll beschrieben werden, erfüllen ihren Zweck. Die eigenwillige Mozart Inszenierung wird für alle ein Triumph! Gerne möchte man sich in die Zuschauerschar einreihen, die das von Tabori zur Höchstleistung getriebene Ensemble in einer Zirkusarena frenetisch feiert. So faszinierend dokumentiert Eisermann diese bedeutende Episode aus der Zeit, als seine Karriere begann. Hut ab vor André Eisermann, der in seinem Text die Schattenseiten des Künstlerruhms nicht ausspart. Was hilft gegen die Einsamkeit, wenn der Vorhang gefallen ist? Er wirkt erschöpft. Zufrieden sonnt er sich in den lauten Bravorufen des überwiegend weiblichen Publikums und kommt dann nach einer kurzen hoch verdienten Erholungspause mit freundlicher Miene zur Autogrammstunde im Foyer vor dem Shop. Ein Jahr ist André Eisermann jetzt mit kleinen Unterbrechungen in Füssen. Ab März 2006 steht er wieder regelmäßig als Ludwigs Bruder Otto auf der Bühne.