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Die neue Stadtführung durch Kempten wird zum Erlebnis

Stadtgeschichte

Die neue Stadtführung durch Kempten wird zum Erlebnis

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    Die neue Stadtführung durch Kempten wird zum Erlebnis
    Die neue Stadtführung durch Kempten wird zum Erlebnis Foto: laurin schmid

    Sie waren die lebenden Toten. In der Stadt hatten sie keinen Platz mehr. Sie waren Verbannte, die weit jenseits der Stadttore in einer eigenen Siedlung leben mussten - rund um das kleine Gotteshaus, das heute den Namen Keckkapelle trägt:

    Die Aussätzigen, die Leprakranken. Rund viereinhalb Jahrhunderte hatte diese Parallelwelt jenseits der Stadt Bestand - 1769 wurde das so genannte Leprosenhaus Kemptens aufgelöst. Klapp, klapp, klapp: Tobias Klöck schüttelt die grobe Holzklapper, mit der Aussätzige stets die Gesunden vorwarnen mussten. Doch das ist noch nicht alles. Stadtführerin Silvia Damiani-Huber reicht dem jungen Mann einen spitzen schwarzen Filzhut - ebenfalls ein mittelalterliches Erkennungszeichen der Leprakranken. Dazu Handschuhe, ein Stab, ein Stück Pergament mit Regeln für den Alltag eines "lebenden Toten".

    Ja, Tobias Klöck ist an diesem Nachmittag wahrlich mittendrin statt nur dabei bei der neuen Stadtführung "Vom Gerichtsplatz zum Beinhaus". Was daran liegt, dass das neue Angebot von Kempten Tourismus eine "Erlebnisführung" ist - und den Teilnehmern damit weit mehr abverlangt als bloßes Zuhören. Mitmachen ist gefragt - sei es als ein angeblicher Aussätziger oder als Angeklagter im Gerichtsprozess vor der Kirchenpforte.

    Zeitreise durch Jahrhunderte

    Der Weg, auf den die Stadtführer Damiani-Huber, Thomas Hilmer und Theresia Wölfle die Teilnehmer mitnehmen, ist eigentlich nicht weit - zumindest in Metern gemessen. Von der Touristinfo über den St.-Mang-Platz und die Bäcker- und Illerstraße geht es zum Beginenhaus, durch die Arkaden und dann zurück in den Schauraum der Erasmuskapelle. Trotzdem legt die Gruppe in gut eineinhalb Stunden eine weite Reise zurück - und zwar in der Dimension Zeit. "Treten Sie ein ins Mittelalter", sagt Stadtführer Hilmer und markiert mit dem Bein die Stelle, an der sich einst - nur einen Steinwurf vom Londoner Hof entfernt - ein Tor befand.

    Gleich dahinter stand angeblich die Gerichtslinde - Schauplatz mittelalterlicher Gerichtsprozesse. Stadtführer Hilmer pickt sich vier "Delinquenten" aus den Zuhörern heraus. Wegen "erneuerter Diebereien" ist an diesem Nachmittag Stadtarchäologe Dr. Gerhard Weber angeklagt. Ein Brandzeichen auf die Wange soll seine Strafe sein. Der "Pöbel" johlt - und manch ein unbeteiligter Passant blickt verwundert auf die schreiende Menschenansammlung zu Füßen der St.-Mang-Kirche.

    Ein leichtes Schauern erfasst die Gruppe einige Meter weiter - an der Stelle hinter dem Brunnen, an der einst die noch ungetauften Kinder Kemptens bestattet wurden. Die Kinder, denen nach damaliger Vorstellung die Vorhölle drohte. Direkt neben der Kirche wurden sie beigesetzt - um Gott damit so nahe wie nur irgend möglich zu sein.

    Weitaus irdischer wird es nebenan. Dort, wo das mächtige Bäckerhandwerk Kemptens seinen Sitz hatte - wegen der verkehrsgünstigen Lage unweit des alten Marktplatzes und der Nähe zur Iller im Brandfall. "Brot galt als heilig", weiß Stadtführerin Wölfe - woher auch der alte Brauch stammt, vor dem Anschneiden ein Kreuz über dem Brot zu schlagen. Und sie berichtet, dass Backen und Brauen einst in enger Verbindung standen. Und auch das dürfen die Teilnehmer wiederum am eigenen Leib erfahren. Wie genau? Pst, das wird noch nicht verraten.

    Die nächsten Termine der Erlebnisstadtführung "Vom Gerichtsplatz zum Beinhaus" sind am 4. und 18. Mai sowie am 1. Juni. Infos: (0831)2525-522.

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