Von Rainer Schmid |VorderburgWie verschieden können doch Menschen sein! Wer die vier Mitglieder des "Ligeti-Quartetts" einen Konzertabend lang beobachten und bewundern konnte, staunt über die magnetische Kraft der Musik, die so unterschiedliche Menschen beieinander hält. Im Amtshaussaal des Dörfchens Vorderburg - umgeben vom Flair vierhundertjähriger Gerichtstradition - war der Oberstdorfer Musiksommer mit diesem jungen Profi-Streicherensemble aus den Reihen der Bamberger Symphoniker zu Gast.
Mozart - Debussy - Smetana. Eine klug gewählte Reihenfolge. So kamen einmal die Mozart-Fans zu ihrem Recht. Und gerade dieses d-Moll-Streichquartett, eine schöpferische "Antwort" Mozarts auf Haydns Opus 33, gibt den vier Musikern Gelegenheit, sich gleich zu Beginn einzeln zu profilieren, weil die vier Instrumente schon ansatzweise gleichberechtigt auftreten.
Unterhaltung vernünftiger Leute
Das berühmte Goethe-Wort zu diesem neuen Kompositionsstil - "man hört vier vernünftige Leute sich unterhalten" - trifft aber auf das g-Moll-Quartett von Claude Debussy noch viel eher zu, ja sogar beispielhaft.
Denn die Solo- und Führungspassagen von zweiter Violine, Bratsche und besonders Cello hat Debussy hier ganz entschieden einer herkömmlichen Dominanz der ersten Geige in den Weg gestellt.

Nach Malwettbewerb "Mein Freund der Bergwald"
Karl Geiger pflanzt gemeinsam mit Schülern der Grundschule Rettenberg Bäume
Und wie verschieden offenbaren dabei diese vier "vernünftigen Leute" jeweils ihr menschlich-musikalisches Temperament! Berthold Opower aus Düsseldorf, meist als exzellenter erster Geiger, voller Feuereifer bei der Sache, mit halbem Lächeln zwischendurch für seine Mitspieler. Der Holländer Quinten de Roos, ganz vertieft, professionell versunken in seinen Part der zweiten Violine (außer bei Debussy, wo er mit Opower den Platz tauscht). Yumi Nishimura aus Japan, fernöstlich wach-ernst konzentriert bei ihrem erdigen Bratschenspiel.
Wieder ganz anders als diese drei: Lucie Ansorge aus Mannheim am Cello. Über ihr mühelos-brillantes Spiel hinaus hat sie ständig ihre Mitspieler im munter-freundschaftlichen Blick; ihre Mimik spiegelt faszinierend wie Schattentheater den Wechsel von Freude und Ernst der Komposition.
Bedich Smetanas tragisch gefärbtes e-Moll-Quartett "Aus meinem Leben" bringt zum Schluss noch folkloristisch-tänzerische Farbe ins Programm - aber auch Beschwörung des schlimmen Schicksals der Taubheit dieses Musikschaffenden, mit abreißender Generalpause und drei dumpfen Pizzicato-Schlussakkorden. Trotz heftigster Beifalls-Bitten keine Zugabe.
Pietätvolles Verstummen
Ob das "Ligeti-Quartett" sich dem auskomponierten Verstummen Smetanas schlicht und pietätvoll anschließen wollte? Schade. Für uns alle geht das Leben doch weiter!