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Die Magd berichtet Unglaubliches

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Die Magd berichtet Unglaubliches

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    Als Gefangene erweitert sie Geständnis ­ Skandalöses kommt an den Tag (Folge 4) Einen Einblick in die Rechts- und Sozialgeschichte des 18. Jahrhunderts gibt der Marktoberdorfer Siegfried Laferton in seiner Arbeit über 'Die Hinrichtung des Ehebrechers Stephan Weyrauch in Oberdorf 1754'. Die Allgäuer Zeitung veröffentlicht sie in einer zehnteiligen Serie. Von Siegfried Laferton

    Am 2. April 1754, einen Tag nach Stephan Weyrauchs Verhaftung, wurde Maria Anna Altenried ein zweites Mal verhört. Obwohl sie diesmal ihr Geständnis als Gefangene ablegte, schien es ihr doch ein großes Bedürfnis gewesen zu sein, als ob ihr etwas auf der Seele lastete, das sie ­ koste es, was es wolle ­ los werden wollte. Es sei, so brach es aus ihr heraus, vor ungefähr fünf Wochen an einem Donnerstag geschehen. Der Weyrauch hätte sie in seine Schmiede bestellt und die Hausfrau gab ihr Mehl und Kraut mit auf den Weg.

    Merkwürdig genug, ließ Weyrauch die Magd zur Hintertür hinein, wozu er sogar ein Brett über das Wasser legen musste. In seiner Kammer habe er erklärt, er wisse nun, wie sie ihre Schwangerschaft los werden könne. Eine Tirolerin habe ihm erzählt, man müsse sich nur mit einem Hund einlassen, um den unliebsamen Zustand zu beenden. Was sich danach in der Kammer ereignete, wird man unterschiedlich beurteilen müssen. Die Aussagen der Magd und ihres Herrn deckten sich erst dann einigermaßen, nachdem der Weyrauch der Folter unterzogen worden war.

    Glaubt man der Magd, so scheint der Übeltäter nach den Vorgängen einen seiner wenigen hellen Momente gehabt zu haben, als er nämlich einsah, wohin ihn sein Verlangen getrieben hatte und wo er dadurch landen würde. So hätte er zu ihr gesagt, wenn sie alles gestehe, so solle sie aber von diesem Vorfall nichts sagen. Pflegverwalter von Epplen fragte, ob sie davon schon jemandem erzählt habe. 'Ja', gab Maria Anna Altenried zu, 'der Bortenwirkerin allhier, sonsten aber keinem Menschen.'

    Am gleichen Tag hatte auch Maria Anna Endres aus Heiland den umtriebigen Hofkammerrat a. D. angezeigt, weil sie von ihm schwanger geworden war. Die junge Frau war 30 Jahre alt und noch unverheiratet. Sie war allerdings nicht freiwillig beim Pflegamt erschienen. Ihre Schwangerschaft muss sich soweit herumgesprochen haben, bis sie von den Ohren des Gesetzes vernommen wurde.

    Die 'Endresin' äußerte, sie habe ihn vor 12 oder 13 Wochen über ihre Schwangerschaft aufgeklärt. Weyrauch gab sich großzügig und meinte, wenn es so weit sei, 'werde es der Sach schon recht geschehen, er wolle schon machen, dass sie an ein Ort komme'. Hinter dieser unscheinbaren Formulierung verbarg sich eine Taktik, mit der Schwangere der Verfolgung und damit auch Bestrafung durch die Obrigkeit am Heimatort entgehen konnten.

    Dazu wurde die werdende Mutter zu Verwandten oder Freunden in eine andere Gegend gebracht, wo sie niemand kannte. Geld von Seiten des Vaters erleichterte dieses Unternehmen. Stephan Weyrauch gestand Hanns Georg Pracht von Weißen das Delikt an seiner Schwägerin ein und gab ihm für sie sogleich fünf Gulden. Das wäre das Startgeld für ihren Unterschlupf bei der Schwester in Augsburg gewesen, wäre da nicht das Pflegamt auf ihren Zustand aufmerksam geworden.

    Staat zur Last gefallen

    Am Tag darauf schnürte von Epplen die Aussagen zu einem belastenden Päckchen zusammen und versah dieses mit einem Begleitschreiben. Weyrauch, so hieß es darin, habe nicht genug Geld, um sich im Gefängnis verköstigen zu lassen. Offensichtlich wollte auch seine Frau nicht für ihn aufkommen. Deswegen fiel der Hofkammerrat mit 18 Kreuzern pro Tag dem Staat zur Last. Außerdem benötige man eine größere Wachmannschaft, wenn die Gefangenen länger einsäßen.

    Mit 'Erstaunen und Abscheu' reagierte der Hofrat in Dillingen und erließ den Befehl, Weyrauch sei wie ein Schwerverbrecher zu behandeln. In seiner Zelle nährte Weyrauch trotz alledem die Hoffnung, dass er wieder frei sein würde (Fortsetzung folgt am Dienstag).

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