Er hat sich Gesicht und Hände schwarz angemalt, eine Perücke mit dichtem Wuschelhaar aufgesetzt und ist so - mit Unterbrechungen - ein Jahr lang durch Deutschland gereist. Als Mann mit schwarzer Hautfarbe hat er das Land erlebt, das stolz ist auf seine sozialen Errungenschaften und die auf christlichen Werten beruhende Gesellschaftsordnung: Wieder ein Experiment Günter Wallraffs, mit dem er seine Heimat testet und seine Landsleute in Ost und West. Davon erzählte er in der Wangener Stadthalle über 200 Zuhörerinnen und Zuhörern.
Sein Mut grenzt zuweilen an Leichtsinn, wenn der Enthüllungsjournalist in Rollen von Menschen schlüpft, mit denen niemand freiwillig tauschen würde. Wenn er etwa als Schwarzer in einen Zug von 600 Fußballfans steigt und von rechtsradikalen Mitreisenden in die Zange genommen wird. Natürlich hat er Angst in solchen Momenten. "Mir zitterten die Glieder. Diese Verachtung, dieser Hass." Auch von ganz alltäglichen Demütigungen erzählt Wallraff. Dass er von Mitbürgern einfach geduzt oder auf einem Ausflugsschiff ganz selbstverständlich für den Kellner gehalten wurde. Die Menschen sind beileibe nicht gleich in Deutschland.
"Es ist mir immer wieder ein Bedürfnis, mich zu verkleiden und zu denen zu gehören, die nicht meine Privilegien haben", sagt er. Seine Selbstversuche machen Günter Wallraff glaubwürdig, wenn er über die hässliche Seite der Bundesrepublik berichtet. "Es gibt heute Strukturen in Betrieben, da braucht es keine Mitgliedschaft bei Scientology, um sektenähnlich zu sein." Das erfuhr er unter anderem als Mitarbeiter eines Call-Centers. In vielen Betrieben dieser Branche werde "Gehirnwäsche" betrieben - "um Täter zu Opfern zu machen".
Wallraff erntet nicht nur Aufmerksamkeit und - zuweilen auch kritisch kommentierten - beruflichen Erfolg mit seiner Arbeit. Zuweilen ändern seine Reportagen auch etwas an den Zuständen in Deutschland.
Seine Geschichten über die Wochen, die er im vergangenen Winter unter Obdachlosen in deutschen Großstädten verbrachte, zeigten Wirkung: In Hannover und Frankfurt werden menschenunwürdige Obdachlosenunterkünfte geschlossen und durch bessere Einrichtungen ersetzt.