Kaufbeuren (sie). - 'Die Sozialdemokratie verliert ihre soziale Kompetenz, denn der Schuldenabbau im Gesundheitswesen geht zu Lasten der Versicherten', begründete der Bundestagsabgeordnete Horst Schmidbauer, stellvertretender Sprecher der Arbeitsgruppe Gesundheit und soziale Sicherung der SPD-Fraktion, sein klares Nein zur Gesundheitsreform der Bundesregierung. Der SPD-Politiker, der mit fünf weiteren Kollegen am Freitag in Berlin gegen die Reform von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt gestimmt hatte, war einer der Teilnehmer bei einer Podiumsdiskussion während der '1. Gesundheitstage' im Buron-Center. Transparenz in die 'Dunkelkammer Gesundheitswesen' bringen, das wollten die Redner bei der Podiumsdiskussion zum Thema 'Gesundheitsreform 2003 - Auswirkungen und zukunftsweisende Chancen'. Dass dieses Thema ein heißes Eisen ist, zeigte die zuweilen kontrovers geführte Diskussion. Während Schmidbauer die Reform 'nicht gerecht' findet, hätte Dr. Christian Alex vom gesundheitspolitischen Arbeitskreis der CSU im Ostallgäu, beispielsweise mit Ja votiert, 'denn eine Blockade der Union wäre zum jetzigen Zeitpunkt nicht richtig'. Auch Regula Emminger, vom Zentralverband der Physiotherapeuten und Krankengymnasten urteilte durchaus positiv über die verabschiedete Gesundheitsreform. Es sei ihrer Meinung nach im Vergleich zum ersten Entwurf deutlich nachgebessert worden. Schwer gebeutelt indes sehen sich die Apotheker, so Dr. Oskar Kronschnabl, Sprecher der Apothekervereinigung Kaufbeuren/Ostallgäu. So habe seine Branche wiederholt schwere Einschnitte hinnehmen müssen, beispielsweise seien 1,2 Milliarden Euro im Arzneimittelsektor eingespart worden. Auch keinen Grund zu feiern ob der jüngsten Entscheidung aus Berlin sieht Kaufbeurens Oberbürgermeister Andreas Knie, der als Vorsitzender des Krankenhaus-Zweckverbandes Kaufbeuren-Ostallgäu auf der Bühne Platz genommen hatte. 'Die Krankenhäuser sollen immer mehr Patienten in kürzerer Zeit behandeln', so Knie. Auf der anderen Seite bekämen die Einrichtungen immer weniger Geld von den Krankenkassen. Zudem müssten die Kommunen immer öfter in ihre eigene Tasche greifen, um Defizite auszugleichen.
'Kein Vollkasko' Ob denn wenigstens die Krankenkassen Grund zu feiern hätten, fragte Moderatorin Sybille Giel, Leiterin der Redaktion 'Familie' beim Bayerischen Rundfunk. 'Ohne die Gesundheitsreform wäre es zu massiven Beitragserhöhungen gekommen', sagte dazu Helmut Brandl, Regionalgeschäftsführer der Barmer Ersatzkasse. Dennoch, so räumte Brandl ein, gehe durch ein Wegfallen der Beitragspflichtigen die finanziellen Belastungen zu Lasten der Versicherten. 'Vollkasko gibt es nicht mehr', urteilte Brandl. So müsse bald jeder Patient eine 'Eintrittsgebühr' in Höhe von zehn Euro beim Arzt bezahlen. Dies sieht auch der Kaufbeurer Hausarzt Dr. Thomas Melcher kritisch. Denn der kranke Mensch werde vor der Behandlung erst einmal zur Kasse gebeten. 'Das ist eine Zumutung', so der Mediziner. Ob es denn nicht auch eine Zumutung sei, dass sich der Patient vermutlich bald selbst informieren müsse, wo der passende Mediziner für sein Leiden zu finden sei, fragte Moderatorin Sybille Giel. Dies verneinte zumindest Dr. Christian Alex, denn er hält die eigenverantwortliche Teilnahme der Patienten am Gesundheitswesen für sehr wichtig: 'Der informierte Patient ist der mündige Patient, wir müssen umsteuern vom Reparaturbetrieb zur Prävention', so der Politiker.