Ikonen und Weihrauchduft Von Michaela Behr Wohmbrechts Es ist wie mit einer Tropfsteinhöhle: Außen nicht erkennbar, ein unscheinbarer Eingang. Innen hingegen ein fremd-anmutender, fesselnd-mystischer Ort der Ruhe - und zugleich Pracht. Nur dass sich in dem schlichten gelben Wohnhaus in Wohmbrechts hinter der Eingangstüre keine Tropfsteine befinden.
Betritt man das Gebäude, schlägt einem dezenter Weihrauchduft entgegen. Und nach wenigen Schritten steht man in einer ganz anderen Welt - einer byzantinischen Kapelle, wie man sie eher in Osteuropa vermuten würde. An Wänden in sanftem Hellblau reihen sich Ikonen mit Jesus, Maria, Aposteln und Heiligen. Leuchter und Ikonenlampen sowie warmes Gold kombiniert mit erdigen Farben vermitteln Geborgenheit. Unter einer Kuppel befindet sich die so genannte Ikonostase - eine mit Ikonen geschmückte Wand mit drei Türen, die zwischen dem Kapellenraum und dem Allerheiligsten steht. Sie soll die Gläubigen nicht von Gott trennen, sondern steht symbolisch für die Verbindung zum Himmel.
Als Schwester Michaela-Josefa Hutt die Kapelle St. Josef betritt, verbeugt sie sich tief vor einer von Blumen umrahmten Ikone, die den Erzengel Gabriel und Maria bei der Verkündigung zeigt. In der osteuropäischen Kirche werden nicht Heiligenfiguren verehrt, sondern Ikonen, die nach Jahrhunderte alten Gesetzen gefertigt wurden. Die Darstellungen sind alle zweidimensional, nicht naturalistisch. Durch die klar geregelte Mimik, Gestik und Farbgebung wirken sie mystisch, sakral. 'Die Ikonen sind das Fenster zum Himmel, sie sind eine Verbindung zwischen dem Gläubigen und dem Dargestellten', sagt Schwester Michaela mit sanfter Stimme.
Sie lebt als Eremitin in Wohmbrechts und hat sich mit der Kapelle einen Traum verwirklicht: Ausschließlich mit Spendengeldern richtete sie die byzantinische Kapelle ein. Träger ist der Verein Heilig-Blut. Er stellte der 44-Jährigen im Frühjahr 2006 den Rohbau mit Heizung zur Verfügung, beim Ausbau packte die Schwester gemeinsam mit den Handwerkern selbst kräftig an, half beim Wändeverfugen und putzte nächtelang. 'Gebetet wurde hier natürlich von Anfang an. Fertig eingerichtet ist die Kapelle aber erst seit wenigen Tagen', erzählt Schwester Michaela. Zur Einweihung am vergangenen Sonntag waren bedeutende Kirchenvertreter angereist, unter anderem der Apostolische Exarch Bischof Petro Kryk sowie Domkapitular Dr. Bertram Meier.
Denn trotz aller Fremdheit ist der byzantinische Ritus, wie er in der kleinen Kapelle in Wohmbrechts regelmäßig zelebriert wird, einer der verschiedenen Riten der katholischen Kirche. Zwar stehen die so genannten unierten Kirchen in ihrer Tradition den anderen Ostkirchen nahe, doch erkennen sie den römischen Papst als Oberhaupt der Weltkirche an. 'Wenn wir hier keinen Gottesdienst feiern, dann gehe ich zur Messe in die Dorfkirche. Umgekehrt kann jeder römisch-katholische Katholik zu uns kommen', erklärt die Eremitin. Und fügt an: 'Die Kirche atmet auf zwei Lungenflügeln - Ost und West gehören zusammen.'
Eine wichtige Rolle spielt in der byzantinischen Kapelle das für die Ostkirche typische Jesusgebet, auch Herzensgebet genannt. 'Das nennt sich in Russland Tschotki', sagt die Eremitin und zeigt eine Gebetskette, die aus Knoten geknüpft ist - ähnlich einem Rosenkranz. Immer wieder wird in gleichmäßigem Rhythmus der Name Jesu angerufen, das Gebet ist eine Form der Meditation.
Vor allem die Feierlichkeit ist es aber, die den byzantinischen Ritus zu etwas besonderem macht. Da sind zunächst die vielen Ikonen, die im flackernden Licht der Kerzen fast lebendig erscheinen, und die Zelebranten und Minstranten in festlichen Gewändern. Der Weihrauch - der wie ein Gebet zu Gott aufsteigt - ist aus echten Blütenessenzen hergestellt. Und die ganze Liturgie wird gesungen, die uralten osteuropäischen Klänge vermitteln Harmonie und Geborgenheit. 'Die Ostkirche will den Glauben für alle Sinne spürbar machen', erzählt die Eremitin. Sie verbeugt sich noch einmal tief vor dem Allerheiligsten, ehe sie ihren kleinen Ort der Stille und des Gebets verlässt.