Wenn der Sozialstaat liberal interpretiert wird, wie von Außenminister Guido Westerwelle, dann kann eine 27-jährige Füssenerin nur den Kopf schütteln. "Es wird so hingestellt, als ob alle Hartz-IV-Empfänger zu faul sind."
Die junge Frau ist eine von rund 1800 erwerbsfähigen Hartz-IV-Empfängern im Ostallgäu. Faul, dass sei sie keineswegs. Doch als alleinerziehende Mutter eines Achtjährigen sind ihr die Hände gebunden. Und schlaflose Nächte hat sie nicht, weil sie durch Kneipen zieht, sondern wegen der kaputten Waschmaschine und des wenigen Geldes, das nicht für eine Reparatur reicht. Arbeitslosengeld II, Kindergeld und Unterhalt fürs Kind - zu wenig für die junge Mutter und ihren kleinen Sohn. "Mir bleibt im Endeffekt gar nichts übrig", sagt sie. Wohnung, Strom, Essen, Kleidung und das alte dunkelrote Auto samt Benzin und Versicherung stehen monatlich auf ihrer Sollseite. Für unerwartete Kosten hat sie keinen Puffer. "Für die Waschmaschine habe ich jetzt einen Antrag auf Beihilfe gestellt. Vielleicht klappt es ja", sagt sie und rollt die Augen nach oben.
Kinderbetreuung ein Problem
Arbeiten, dass würde sie gerne. Doch seit ihr Sohn auf die Welt kam, ist sie abhängig. Der Job wurde ihr gekündigt, der Freund hat sie verlassen. Eine Spirale, aus der die 27-Jährige seit acht Jahren nicht mehr rauskommt. "Ich kann nur warten, bis mein Sohn älter ist und tagsüber alleine sein kann.
" Dass die Arbeitsagentur ihr einmal einen Job von 6 bis 15 Uhr angeboten hat, kann sie überhaupt nicht verstehen: "Wer soll da auf mein Kind aufpassen - die machen es sich schon einfach."
Grundsätzlich ist für die Füssenerin die Kinderbetreuung ein Problem. Wäre sie ganztags abgesichert, könnte sie auch ganztags arbeiten. "Dann bräuchte ich nur noch einen Job, in dem ich acht Stunden am Tag arbeiten kann", sagt sie - und wäre glücklich damit. Denn glücklich, das ist sie derzeit nicht. Sie spart an Essen, an Kleidung, an Kultur und nicht auch an ihrem Sohn, dem sie nur noch die wenigsten Wünsche erfüllen kann.
Ein Leben laut Klischee führe sie nicht. Und auch wenn sie Westerwelle nicht durch ihre Türe lassen würde - zu sagen hätte sie ihm Einiges: "Es ist eine Frechheit, was er sagt. Es gibt viele, die sich um Arbeit bemühen und darum kämpfen."