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Der Traum von endloser Freiheit

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Der Traum von endloser Freiheit

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    Baisweil (rö). - 'Ich möchte einmal so lange weg sein, dass ich richtig Sehnsucht nach Heimat bekomme. Aber anscheinend soll es nicht sein', sagt Hubert Steinhauser. Dabei sind es nur wenige Wochen im Jahr, die er in seinem Heimatort Baisweil verbringt. Steinhauser ist Weltenbummler. Er muss reisen, sagt er. Früher einfach aus Neugier, die Welt und andere Menschen kennen zu lernen - und dabei immer auch ein Stück weit sich selbst. Heute ist das Reisen für den 39-Jährigen aber auch eine Form der Therapie. In 50 Ländern war er bislang unterwegs. Man sieht es ihm auf den ersten Blick nicht an. Doch nach einem Motorradunfall in Wladiwostok vor sechs Jahren leidet Steinhauser an einer inkompletten Querschnittlähmung. Das heißt: Er kann nicht lange sitzen oder stehen, nur langsam gehen. Nur auf seinen Reisen, sagt er, hat er den Kopf völlig frei, sich mit seinem Körper zu beschäftigen, sich auf seine Gesundheit zu konzentrieren. 'Und was das für ein harter Kampf ist, wieviel Energie das kostet, weiß kaum einer.' Mit dem Motorrad wollte er sich 1998 seinen Lebenstraum erfüllen und einmal den Globus umrunden. 20000 Kilometer durch Mittel- und Osteuropa war er schon gefahren, hatte per Bahn einen Abstecher nach China gemacht. Der Unfall setzte seinen Plänen jäh ein Ende. Stattdessen sechs Monate Krankenhaus, vier Jahre an Krücken. Unermüdlich hat Steinhauser daran gearbeitet, wieder gehen zu können. Vor eineinhalb Jahren konnte er die Krücken in die Ecke stellen. Das Reisen gab er nicht auf. Dabei bediente er sich nicht nur des vergleichsweise komfortablen Transportmittels Flugzeug. Er machte sich auch mit einem Geländewagen mit Zeltaufbau auf, fuhr über Polen in die Ukraine. Besuchte seine Freundin Alexandra in Kasachstan, reiste mit ihr auf die Halbinsel Krim, kurte dort mehrere Wochen. Doch der alte Motorradtraum war durch nicht zu ersetzen. Steinhauser ließ sich also im Herbst 2002 ein Spezialmotorrad anfertigen: Eine 1000-er BMW mit Smart-Reifen, einem Harley-Sitz und aufblasbarem Rückenpolster, nachts auch zu einer Liegefläche umbaubar. 'Damit wollte ich meine Traumreise nachholen', so Steinhauser. Angetan mit einem Spezialkorsett startete er Ende November 2002 zu einer Probefahrt mit dem Fernziel Ägypten über Italien, Griechenland und Türkei. Nach Syrien durfte er wegen des drohenden Irak-Konfliktes nicht einreisen. Also machte er sich nach einem Abstecher nach Zypern wieder auf den Rückweg. Kurz hinter der griechischen Grenze dann wurde ihm eines Nachts, während er im Zelt schlief, das Motorrad geklaut.

    Vorsichtshalber gefeiert Ein böser Rückschlag. Was als Testreise für die Welt-Tour geplant war, bedeutete nach gut drei Monaten schon wieder ein Ende. Drei Monate - das sind nicht die Zeitdimensionen, in denen der Baisweiler denkt. 'Ich wollte ja irgendwann zwei, drei Jahre wegbleiben. Deswegen hatte ich sogar meinen 38. Geburtstag mit einem Riesenfest und bald 200 Gästen gefeiert, weil ich dachte, zum 40er bin ich ja nicht da', erzählt er. Doch von Rückschlägen lässt er sich nicht beeindrucken. Wenige Monate später, im Sommer 2003 startete er mit dem Auto durch das Baltikum, Weißrussland und Bulgarien bis ins ehemalige Jugoslawien. 25000 Kilometer in fünf Monaten. Dazu kamen Besuche bei der Freundin. Nächste Woche fliegt Steinhauser nach Neuseeland und will dann für zwei Monate nach Australien. Kaum zurück, werden die Ziele Krim, Kasachstan, Usbekistan und Kirgisien heißen. 'Durch das Reisen bin ich schon viel ruhiger geworden', sagt er. Doch Steinhauser ist schon klar, dass es auf so manchen Außenstehenden paradox wirkt, wenn er, der nicht arbeitsfähig ist, nur auf Tour geht. Oft werde er als 'Spinner' bezeichnet. Dumme Sprüche, die ihm schon manchmal zusetzen. Dabei hat der früher selbständige Bauunternehmer finanziell vorgesorgt. 'Ich bekomme keinerlei Rente, sondern lebe von meinen Mieteinnahmen. Ich schädige also niemanden, höchstens mich selbst', wehrt er sich gegen gelegentliche Vorurteile. 'Ich habe jahrelang hart dafür gearbeitet und irgendwann beschlossen, dass ich meinen Lebenstraum erfüllen will - bevor es vielleicht zu spät ist.' Außerdem 'sind meine Reisen auf einfachstem Nievau gestrickt, sonst ließe sich das nicht finanzieren.' Wie lange er sein Nomadendasein fortsetzen will, weiß er nicht - dank Freundin Alexandra 'ist es ja jetzt schon nicht mehr die absolute Freiheit.' Vielleicht, darüber denkt er zurzeit nach, will er irgendwann auf der Krim, in 'traumhaft schönen Landschaft, touristisch etwas aufziehen' oder mit seinem Bruder Franz, der sich sehr für ihn engagiert, als Immobilien-Sachverständiger und in der Hausverwaltung arbeiten. Wenn er die Ruhe dazu findet.

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