U-Boot-Fahrer Fridolin Thomma fühlt mit Besatzung der gesunkenen 'Kursk'Von Markus Raffler Sulzberg/Kempten Der Tod an Bord eines U-Boots ist er ständiger Begleiter. 'Man muss sich bei jedem Einstieg ins Turmluk im Klaren sein, dass man vielleicht nicht mehr zurückkommt'. Zig Mal ist Fridolin Thomma dieser beklemmende Gedanke durch den Kopf geschossen. Von Juni 1942 bis April 1943 gehörte der Sulzberger als Torpedo-Mechaniker zur Besatzung von U-456 und sprang dem Tod nur um Haaresbreite von der Schippe: Wenige Wochen nach seiner Abkommandierung zu einem Lehrgang wurde das deutsche Boot von einem englischen Zerstörer mit Mann und Maus versenkt.
Wenn jetzt die Meldungen vom russischen U-Boot-Drama im Nordmeer über den Bildschirm flimmern, gewinnt die Erinnerung des 76-Jährigen an seine Tauchfahrten besonders scharfe Konturen. 'Es ist inzwischen eine andere Welt', vergleicht das Mitglied der Marinekameradschaft Kempten die früheren Kriegs-U-Boote mit den Atom-Kolossen der Supermächte. Und dennoch: 'Für die 116 Mann der ,Kursk\' ist es die gleiche Misere wie für uns damals.' Das Gefühl, eingeschlossen in dunkler Tiefe ums Überleben zu kämpfen, sei mit Worten kaum zu beschreiben. 'Daran zu denken, ist für mich einfach deprimierend.'
Das ganze Boot zitterte
Thomma, ein gebürtige Blaichacher, hat die kritischen Situationen an Bord von U-456 nicht gezählt. 'Bei jedem Einsatz ging es um Leben und Tod', berichtet er von den Fahrten zwischen Eismeer und Atlantik, Gibraltar und Syrakus. Am schlimmsten hat Thomma die Explosion von Wasserbomben in Erinnerung. 'Das ganze Boot zitterte, es gab überall Wassereinbrüche, der Strom fiel aus'.
Natürlich habe er manchmal 'Muffe gehabt', habe er Kameraden gesehen mit nassen Augen, räumt der damals 17-Jährige ein. 'Doch wir waren in diesen Momenten so gefordert, dass wir keine Zeit zum Nachdenken hatten.' Eine Panik unter der Besatzung hat Thomma nie erlebt. 'Nur einmal habe ich gehört, dass ein Funkmaat durchgedreht sei.' In solchen Situationen hätten die Offiziere hart durchgegriffen und notfalls sogar zur Einschüchterung die Pistole gezückt.
'Auch der Kommandant der ,Kursk\' wird trotz der schlimmen Lage keine Verzweiflung aufkommen lassen', ist Thomma überzeugt. Etliche Besatzungsmitglieder dürften nach dem Abschotten einzelner Bootsteile einen 'jämmerlichen Tod' gestorben sein, glaubt er. 'Das Schlimme ist, dass man in so einer Situation auf Einzelne keine Rücksicht nehmen kann.' Die Chance auf Rettung stuft Thomma, der vor seinem U-Boot-Einsatz 'nur den Alpsee' gesehen hatte, als gering ein. 'Mit einer Taucherglocke könnte man etwas erreichen', glaubt er. Ein freier Ausstieg in 100 Meter Tiefe sei dagegen tödlich: 'Denn beim Hochkommen würden die Lungen-Kapillaren zerstört.'
Dass der Sulzberger nicht selbst auf dem Grund des Ozeans blieb, verdankt er übrigens einer kleinen Heldentat: Freiwillig entschärfte er unter Lebensgefahr einen festsitzenden Torpedo. Die Belohnung die Abberufung zum Unteroffiziers-Lehrgang machte ihn zum einzigen Überlebenden von U 456.