"Der Kabarettist und Komödiant ist ein Spezialist für halbgare Semantik und pseudoakademische Texte, die sich im Nirwana zwischen Realität und dem übernächsten Gedanken verfranzen." Das stand einmal vor ein paar Jahren auf der Ankündigung eines Auftritts von Piet Klocke in Münster. Klingt ein bisschen geschwollen und auch leicht irre, trifft aber auf den 52-jährigen schrägen Vogel voll zu. Auch bei seinem Programm "Das Leben ist schön - gefälligst" brillierte Klocke jetzt im Rahmen des "Immenstädter Sommers" mit dieser einzigartigen Mischung aus abgebrochenen Sätzen und wegwerfender Gestik.
Wir befinden uns im "Institut Wünschelrute" und Piet Klocke wartet auf seinen Kollegen Professor Schmitt-Hindemith (eine zerstreute Figur aus früheren Kabarett-Programmen). Der kommt natürlich den ganzen Abend nicht. Deshalb muss Klocke die Zeit irgendwie überbrücken. Er macht dies scheinbar unbeholfen, fängt mit diesem und jenem Gedanken an, bricht ab, stößt kehlige Laute hervor, so als ob ihm der Rest des Satzes schmerzhaft im Halse stecken bliebe, und wischt dann das Thema mit einer ausholenden Handbewegung vom Tisch, meistens aber von der Stirn. Die Zuschauer glauben zu wissen, wie diese angefangenen Wortfolgen - oft bekannte Zitate oder Lebensweisheiten - vollständig lauten müssten, und sind dann umso mehr quietschend verblüfft, wenn Klocke die Kurve in eine ganz andere Richtung kriegt, indem er oft nur ein einziges Wort im erwarteten Restsatz verändert.
Beispiel: "Wenn man nach einem Rollentausch seine eigenen Kleider wieder anhat, , fühlt man sich gleich wie ein anderer Mensch." Oder: Der Mann braucht im Kampf der Geschlechter "nicht seinen Scheffel hinters Licht "
"Respekt ab!"
Erlösung aus den verschwurbelten Gedankengängen kommt in Person von Angelika Kleinknecht, einer Studentin, farblich im verboten gelbroten Dirndl und in blauer Stickjacke passend zu Klockes schreiend gelbgrün-karierten Anzug mit rosa-schwarz gepunkteter Krawatte. Endlich hat Klocke ein Opfer, an das er seinen intelligenten Unsinn hindozieren kann. Und dann ist Klocke echt baff, und das Publikum auch, dass sich aus dem Mauerblümchen Angelika Kleinknecht eine saugute Jazz-Saxofonistin entpuppt.
Wie die Musikerin Simone Sonnenschein (so ihr richtiger Name) auf der Bühne improvisiert und später auch singt: "Respekt ab!", zieht Klocke - und nicht nur er - den Hut.
Sitzt Fräulein Kleinknecht, wenn sie nicht gerade musiziert, meist regungslos da, kann Klocke keine Sekunde seine Hände, seine Füße, seinen Hals, seine roten Haare stillhalten. Jedes Wort begleitet er mit einer eckigen Geste. Am Ende kann er damit sogar fast ohne Worte den Fortpflanzungsprozess von Quallen erzählen. Ein zagenhafter Zappelphilipp, der sich nach einer stürmisch geforderten Zugabe unnachahmlich verabschiedet: "Vielen Dank für Ihre Existenz."