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Der Sänger mit dem großen Herz

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Der Sänger mit dem großen Herz

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    Von unserem Redaktionsmitglied Freddy Schissler Kempten - So ist das also gewesen mit dem kleinen Reinhard (Mey). Als eigenwilligen Schüler lernten ihn seine Lehrer kennen, als faulen obendrein. Die (fast) logische Konsequenz daraus: Das Zeugnis am Schuljahresende fiel verheerend aus. Als er zwölf war, muss es besonders schlimm gewesen sein, und der Berliner Bub spannte den Bogen noch ein Stück weiter: Er versteckte das miserable Zeugnis vor den Eltern und fälschte die Unterschrift. Der Rektor, den Betrug ahnend, schnaubte, tobte und schlug zu. Reinhards Eltern, den Betrüger behütend, versicherten dem Schulleiter, die Unterschrift tatsächlich zu Papier gebracht zu haben. Sie haben ihren Jungen an die Hand genommen und sind gegangen. 1978 machte Reinhard Mey aus dieser Geschichte einen Song und wollte damit vor allem eines festhalten: 'Die Erkenntnis, von den Eltern geliebt zu werden, ist unermesslich wichtig für ein Kind'. Der zwölfjährige Reinhard hat diese Geschichte und andere überstanden, weshalb er heute, 50 Jahre später, betont: 'Ich hatte eine glückliche Kindheit'. Später ist er nicht nur einer der großen deutschen Liedermacher geworden, sondern ein Musiker, der auch als 62-Jähriger noch große Säle füllt. Am kommenden Donnerstag gastiert der Gitarrist und Sänger in der Big Box Allgäu in Kempten. Das sind die Unterschiede zwischen einem wie ihm und jenen spektakulär in den Glanz der Scheinwerferlichter geschobenen Superstars, die für kurze Zeit musikalische Schlagzeilen produzieren und danach allenfalls in den Klatschkolumnen auftauchen, wenn sie sich die Ohren anlegen oder den (nicht vorhandenen) Führerschein wegnehmen lassen. Reinhard Mey ist noch immer präsent - als Liedermacher. Nach 40 Jahren. In einem Musikgeschäft, das härter geworden ist. Reinhard Mey hat sich behauptet. Weshalb, das vermag er nicht zu beurteilen. Er sei dankbar, sagt er, aber erklären will oder kann er sein Erfolgsrezept nicht. Fest steht, dass er sich in all den Jahren nicht hat verbiegen lassen - oder wie er es selbst ausdrückt: 'Ich habe mich nie um ein Image bemüht, das nicht zu mir passt.' Das klingt simpel, und vermutlich ist genau das der Schlüssel zum Erfolg. Seine Lieder haben etwas leichtes, überschaubares - und stets menschliches. Der Name Reinhard Mey steht für Toleranz und Mitgefühl. Begriffe, die zeitlos sind.

    Nackter Protest Einer wie er steigt 1990 von einem Tag auf den anderen in ein Campingmobil, belädt es mit Arzneimitteln, Kindernahrung und Hygieneartikel und macht sich mit einem Freund auf den Weg nach Rumänien, um armen Menschen zu helfen. Einer wie er springt über seinen Schatten und lässt sich eines Tages nackt mit seiner Gitarre fotografieren - für ein Plakat der Kampagne 'Lieber nackt, als Pelze tragen'. Einer wie er produziert 1989 das Album 'Mein Apfelbäumchen', verkauft es über eine halbe Million Mal und spendet eine hohe Summe an die Kinderkrebshilfe. Reinhard Mey, der einst schlechte Schüler mit dem großen Herz und einer beachtlich ausgeprägten Nächstenliebe: Seine Fangemeinde ist also noch immer groß und wäre sicherlich enttäuscht gewesen wäre, wenn er auf seiner neuen CD nicht Stellung bezogen hätte zu einem Thema wie dem Irakkrieg. Wenn er nicht die USA der Überheblichkeit bezichtigt hätte. Auch das ist Reinhard Mey: Wenn ihm etwas missfällt, artikuliert er es.'Natürlich', gesteht er in seinem neuen Buch (Was ich noch zu sagen hätte, Kiepenheuer&Witsch, 303 Seiten, 19,90 Euro), 'ist mir die Harmonie wesentlich lieber als die Disharmonie.' Als harmoniesüchtig würde er sich allerdings nicht bezeichnen, weshalb er die Finger immer wieder in Wunden legt - mithilfe seiner Gitarre. i Reinhard Mey tritt am Donnerstag, 20. Oktober (20 Uhr), in der Big Box Allgäu im Rahmen seiner Tournee 2005 auf. Karten im Vorverkauf: 01805/132132.

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