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Der Rebell überrascht seine Fans

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Der Rebell überrascht seine Fans

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    Von Bernd Skischally, Memmingen - Alle Jahre wieder schaut er in Memmingen vorbei: der seit fast 20 Jahren unermüdlich tourende oberbayerische Liedermacher Hans Söllner. In der ausverkauften Stadthalle spielte der 48-Jährige am Samstagabend in Begleitung der fünfköpfigen Blues-Reggae-Band 'Bayaman' Sissdem' und überraschte vor allem durch seine ungewöhnliche Song-Auswahl. Erwähnt werden muss zunächst, was beim knapp zweieinhalbstündigen Söllner-Konzert fehlte: es gab keine Beleidigungen von bayerischen Politikern oder Polizisten, auch keine halbstündigen, ausufernden Erzählungen aus Söllners Alltag zwischen Familie und Tour-Bus. Außerdem spielte er keinen seiner alten Hits wie etwa 'Hey Staat' oder 'Edeltraud'. Statt dessen bekamen die knapp 700 Zuschauer viel Musik von Söllners jüngsten Platten 'Babylon' (2001) und 'Oiwei I' (2004) geboten. Der 'Bayerische Rebell' - so der Titel einer neuen Kino-Dokumentation über den umstrittenen Künstler - präsentierte sich mit halblangen Rasta-Locken als perfekte Kombination aus Bob Marley und Bob Dylan - mit bayerischem Dialekt, versteht sich.

    'Ein Panzer, der g'scheit schiast' Zum Auftakt spielte Söllner passend zur Adventszeit das Lied 'I wünsch' mir', in dem er voll bitterer Traurigkeit von Kindern singt, die keine anderen Weihnachtswünsche haben als 'einen Panzer, der g'scheit schiast' oder 'a echte Geisel, der i nei schlagen kann ins G'fries'. Nach drei weiteren Stücken kündigte Söllner mit Blick auf seine zahlreichen Gerichtsverfahren an: 'Jetzt kommt das erste gefährliche Lied. Aber keine Angst - es ist schon abbezahlt!'. Er spielte 'Drunten fährt die Polizei' und spottete darin zum einen über die Arbeit der Staatsbeamten, prangerte aber auch in deutlichen Worten Faschismus und Gewalt in unserer Gesellschaft an. Viele von Söllners Stücken wurden dank der Musiker von 'Bayaman' Sissdem', die mit Akkordeon, Elektro-Orgel, Schlagzeug, Bass und zweiter Akustikgitarre rund um Söllner saßen, höchst tanzbar performt. Schade war es da, dass die Stadthalle wie bei früheren Auftritten des Liedermachers komplett bestuhlt war. Zu Beginn des mehr als dreißigminütigen Zugaben-Blocks hielten es mehrere Dutzend Fans dann aber nicht mehr auf ihren Sitzen aus und kamen zum Tanzen, Springen und Jubeln direkt vor den Bühnenrand. Was ihm seine Kritiker nie zutrauen würden, bewies Söllner in Memmingen eindrucksvoll: Er begeisterte das überwiegend aus jungen Leuten bestehende Publikum mit Liedern, die fast ausschließlich allgemein gültige Themen wie Liebe, Familie oder Trauer behandelten und nicht selten vor Melancholie strotzten. Zwar ließ Söllner auch diesmal seine Forderung nach der Legalisierung von Hanf, die ihm als gläubigen Rastafari eine Herzensangelegenheit zu sein scheint, durchklingen. Auch provokante Passagen wie im Lied 'A Drecksau is a Drecksau', in dem er George Bush und Tony Blair in eine Reihe mit Adolf Hitler stellte, blieben nicht aus. Aber in erster Linie präsentierte sich Söllner als authentischer Volks-Musiker, der von seinen Zuhörern Pazifismus ('Bitte, schlagt eure Kinder nicht') und ein wenig zivilen Ungehorsam einforderte. Mit der vermeintlich heilen Welt einer nur auf Kommerz ausgerichteten volkstümlichen Musik will Söllner freilich überhaupt nichts zu tun haben.

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