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Der Rauch vernebelte zunächst vieles

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Der Rauch vernebelte zunächst vieles

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    Von unserer Mitarbeiterin Rita Winter Hawangen - Anfangs war sie 'das Mädle', das die Herren Musiker und Dirigenten kaum ernst nahmen. Doch Michaela Klahr ging ihren Weg, übernahm 1989 als erste Dirigentin im Allgäu-Schwäbischen Musikbund (ASM) eine Musikkapelle und gehört seit 1998 als Bundesjugendleiterin zur obersten Führungsriege des ASM. Derzeit aber geben vor allem ihre Kinder den Takt an. Wenn Michaela Klahr 'damals' sagt, klingt es nach längst vergangenen Zeiten und doch ist es noch keine 20 Jahre her: In den 80ern waren in einem Dirigentenkurs mit 86 Teilnehmern gerade mal vier Frauen. Damals, 1989, sorgte sie als Dirigentin der Original Kohbachtaler Musikanten Holzgünz-Schwaighausen für Raunen im Publikum. Auch 1998 war es eine kleine Sensation, als sie zur Bundesjugendleiterin im Allgäu-Schwäbischen Musikbund (ASM) und damit in die oberste Verbandsspitze gewählt wurde. Einen roten Teppich hat man für Michaela Klahr nie ausgerollt. Doch ihre Leidenschaft für die Musik gab der Hawangerin jene Energie, gegen alle Widerstände ihre Ziele zu verfolgen. Mit 13 Jahren ging sie zur örtlichen Musikkapelle, lernte Tenorhorn, später Posaune und Akkordeon. Schon mit 18 besuchte sie einen Dirigentenkurs und war fortan vom Taktstock-Virus befallen. Sie absolvierte Lehrgänge, nahm Privatunterricht, qualifizierte sich - und schaffte tatsächlich den Sprung in die Dirigentenriege des ASM. Ein bisschen blauäugig sei sie schon gewesen, gibt die 41-Jährige heute zu. Sie habe Hürden unterschätzt und viel Lehrgeld zahlen müssen. Zum Beispiel als sie bei der ersten Orchesterprobe in Holzgünz ein altgedientes Mitglied vergraulte: Von einem 'Mädle' lasse er sich gar nichts sagen, meinte der gute Mann, packte sein Instrument und kam nicht wieder. Andere ließen es locker angehen, rauchten und tranken während der Proben. 'Die Trompeter hab ich zunächst vor lauter Zigarettenqualm kaum gesehen', erinnert sich Klahr. Heute lacht sie darüber, damals musste sie ihre Musiker für ein diszipliniertes Proben und Spielen gewinnen.

    Als sich das gestiegene Niveau der Kapelle durch Auszeichnungen bei Wertungsspielen dokumentierte, bekam die Dirigentin erneut ihre Sonderrolle zu spüren: 'Erst traute man mir nichts zu. Als wir Erfolg hatten, hieß es: Weil eine junge Frau oben steht, werden die besser bewertet.' Mit Talent und großem Einsatz hat sie solche Behauptungen ad absurdum geführt. 'Man steht allein da, ist oft Zielscheibe für Kritik, auch für unfaire Angriffe', resümiert Michaela Klahr. Musikalische Erfolge, persönliche Anerkennung, viele Begegnungen mit interessanten Menschen und unbezahlbare Erfahrungen waren für Michaela Klahr Lohn für unermüdliche Arbeit. Dazu kam ein weiterer Pionierposten in der Männerwelt der Blasmusik: 1998 wurde sie von den 616 Mitgliedskapellen zur Bundesjugendleiterin gewählt. Seither organisiert sie Wertungsspiele, Musikertreffen und Wettbewerbe, nimmt Bläserprüfungen ab, plant, koordiniert, managt, vermittelt, bewertet - und dirigiert. Das Amt, so Klahr, beschere auch unvergessliche Erlebnisse. Die Begegnung mit dem ehemaligen Bundespräsidenten Johannes Rau zum Beispiel; oder die Romreise im Jahre 2000 zum 80. Geburtstag des damaligen Papstes Johannes Paul II. Sie dirigierte das Jugendblasorchester des ASM auf dem Petersplatz Die Dirigententätigkeit bei den Kohbachtalern hat Michaela Klahr vor zwei Jahren aufgegeben. Nur Helmut Neumann, den einstigen Vorsitzenden und besten Trompeter, hat sie behalten - mit ihm ist sie verheiratet. Für ihn und vor allem für ihre beiden Kinder Magnus (3) und Julia (eineinhalb) hat sie sich Freiraum geschaffen. Sie genießt die gewonnene Zeit für die Familie, unterrichtet aber weiter als selbständige Musiklehrerin und sorgt für qualifizierten Nachwuchs in Unterallgäuer Blaskapellen. 'Es hat sich viel gewandelt', sagt Michaela Klahr. In ihrem Leben und in der Welt der Blasmusik. So gibt es im ASM inzwischen 60 Dirigentinnen, und nach einer langen Gewöhnungsphase wird die Bundesjugendleiterin meist als solche erkannt - und nicht für die Vorzimmerdame des ASM-Präsidenten gehalten. Immerhin.

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