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Der Mann für Leben und Tod

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Der Mann für Leben und Tod

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    Kaufbeuren (fro). Der Beruf des Henkers war im Mittelalter hoch angesehen. Das hatte nicht nur mit seiner finalen Tätigkeit zu tun: Zwar henkte oder enthauptete der Scharfrichter, aber ihm musste auch eine halbwegs genaue Kenntnis der menschlichen Anatomie eigen sein. Schließlich konnte er auch ein Meister der Folter sein und musste deshalb wissen, wie lange er welche Marter anwenden konnte, ohne dass sein Delinquent vorzeitig ein mögliches Geheimnis mit ins Grab nimmt. Daraus ergab sich, dass der Henker auch zum Tierarzt und Heilkundigen wurde. Als 'Nachrichter' wurde ihm deshalb zuweilen die Erlaubnis gegeben, die Körper der Gerichteten zum Zwecke der Arzneimittelherstellung zu plündern. Zwar bekam der Kaufbeurer Scharfrichter Mattheiß Pickhel eine Geldstrafe von 25 Gulden, als er einen Hingerichteten 'schinden und das Schmalz ausschneiden lassen' wollte, doch im 17. Jahrhundert durfte der Henker in Kaufbeuren mit Erlaubnis der Rates im gewissen Umfang aus den Toten Arzneien herstellen. Der Scharfrichter Johannes Seitz betrieb das heilkundige Nebenhandwerk in der Reichsstadt derart, dass von ihm gar ein 'Buch der Medicie' aus dem Jahre 1715 stammt.

    Über 500 Rezepte oder Heilungsanweisungen hat Seitz der Nachwelt darin überliefert. Er lässt sich über die heilende Wirkung des Harns aus oder gibt Ratschläge, wenn 'die Hirnschale eingebogen ist'. Aber auch Beschwörungsformeln, die damit beginnen, eine junge Schwalbe aus einem Nest zu nehmen und ihr den Kopf abzuschneiden, sind in dem Buch zu finden. Und natürlich hat Henker Seitz auch einen Ratschlag gegen die Pest parat: 'Nimm eine Kröte, lege sie in Essig eine Stunde, danach binde sie auf die Beulen. Du musst sie aber vor dem Aufbinden aufschneiden. Lasse sie eine Stunde oder zwei liegen, danach nimm sie ab und wirf sie in ein fließendes Wasser', schreibt Seitz. Ob das hätte helfen können, ist ungewiss, da die letzte Pest 1634 in Schwaben herrschte. Quelle: Johannes Seitz: Buch der Medicie. Zu finden im Stadtarchiv Kaufbeuren. Entdeckt vom AZ-Leser Dr. Walter Werner.

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