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Der Kampf ums tägliche Überleben

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Der Kampf ums tägliche Überleben

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    Der Kampf ums tägliche Überleben
    Der Kampf ums tägliche Überleben Foto: boxler

    60 Jahre ist es her, dass die Bundesrepublik Deutschland gegründet wurde. Eine Zeitspanne mit vielen Emotionen und Ereignissen, die auch an den Menschen in und um Buchloe nicht spurlos vorübergegangen sind. Beginnend mit den Nachkriegsjahren (1949-1959) über das Wirtschaftswunder (1960-1969), die wilden Siebziger (1970-1979) und die Zeit vor (1980-1989) sowie nach der Wiedervereinigung (1990-1999) bis hin zur ersten Dekade des neuen Jahrtausends (2000-2009), lässt die BZ in einer Serie diese 60 Jahre nochmals Revue passieren - und dabei auch etliche Zeitzeugen zu Wort kommen.

    Buchloe Was geschah am 23. Mai 1949? Klar, das Grundgesetz der Bundesrepublik wurde verabschiedet. Vier Jahre nach Kriegsende war der Grundstein für einen neuen deutschen Staat gelegt. Bei den Details kommt Franz Greif jedoch ins Schwitzen. "So bewusst habe ich das gar nicht wahrgenommen", gesteht er nach kurzem Überlegen. Viel zu weit weg seien die Geschehnisse in Bonn damals gewesen - und das nicht nur aus räumlicher Sicht. "Hier zählte eigentlich nur der Kampf ums tägliche Überleben", erinnert sich der ehemalige Buchloer Bürgermeister. Wie 1773 andere Heimatvertriebene war auch Greif nach Kriegsende aus dem Sudetenland nach Buchloe gekommen. Gemeinsam mit seiner Mutter, zwei Schwestern und einer Großtante wurde er in einem Privathaus einquartiert. Ein Zimmer, 18 Quadratmeter - für fünf Personen.

    In Buchloe herrschte Platzmangel. Innerhalb von nur zehn Jahren hatte sich die Einwohnerzahl bis 1950 fast verdoppelt auf 5200. Nahezu 35 Prozent davon waren Heimatvertriebene. Wer nicht in einer der notdürftigen Baracken am Hochstattweg, Am Hohen Weg oder am Immleplatz unterkam, musste darauf hoffen, von einem "Einheimischen" aufgenommen zu werden. Wie zum Beispiel die elfköpfige Familie, die in der Schneiderwerkstatt der Familie Santjohanser eine neue Bleibe fand. Die Geschäftsräume standen leer, der Vater war im Krieg gefallen: "Irgendwie hatte sich schon jeder gesträubt. Wir hatten ja selber nichts", erinnert sich Alfred Santjohanser, damals 13 Jahre alt: "Auf der anderen Seite hat man aber auch das Elend der Leute gesehen."

    Und das war in den ersten Jahren gleichermaßen gewaltig wie allgegenwärtig. Zum Kartoffeln oder Brennholz klauben lief man schon mal bis nach Igling, erzählt Greif. Arbeitsmöglichkeiten waren dünn gesät, Buchloe war nach wie vor stark landwirtschaftlich geprägt. In der Bahnhofstraße stand noch der ein oder andere Bauernhof. "An eine Lehrstelle zu kommen, war fast unmöglich", verrät der heute 71-Jährige. Viele Familien fuhren daher mit der regelmäßig völlig überfüllten Bahn nach Neugablonz, um in dort ansässigen Industriebetrieben ihr Geld zu verdienen.

    Erst ab Mitte der 50er Jahre entspannte sich die Lage auch in Buchloe. Die Baracken verschwanden, die ersten Wohnblocks in der Sonnenstraße, Bürgermeister-Strauß-Straße oder der Welfenstraße entstanden. Vereinzelt gründeten Vertriebene ihre ersten Geschäfte und Unternehmen, weiß Greif: "Jeder war eifrig, ist gelaufen und hat gewerkelt, um seinen Lebensstandard zu verbessern." Das Wirtschaftswunder zeichnete sich ab.

    Für Buchloe schlug sich der Aufschwung jedoch nicht nur im Stadtbild nieder. Am 28. April 1954 wurde das "Dorf" zur Stadt erhoben. "Vor den großen Feierlichkeiten hatte man schnell noch ein paar Straßen geteert", entsinnt sich Greif. Das rot-weiße Schild wurde zum offiziellen Stadtwappen. Nur wenige Wochen später folgte das nächste Großereignis. Auf der Rückfahrt aus der Schweiz hielten die frischgebackenen Fußballweltmeister, die deutsche Helden von Bern mit ihrem Zug in Buchloe.

    "Als ich zum Bahnhof kam, waren schon Tausende von Leuten da", erzählt Santjohanser. Auf allen Dächern seien Menschen gesessen, weiß der 74-Jährige: "Ich selber hab in der Musikkapelle gespielt. Aber ich weiß noch genau, wie ich meinem Bruder meine Kamera gegeben und gesagt habe: Hier, mach mal ein paar Bilder!"

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