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Der ferne Klang

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Der ferne Klang

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    Von Stefan Dosch Irsee - Vielleicht wäre Josef Guggenmos selbst gar nicht so unglücklich gewesen mit dem Etikett, Verfasser von Kinderversen zu sein. Doch hat eine literarische Rubrizierung selten so daneben gelegen wie bei dem 2003 im Alter von 75 Jahren gestorbenen Autors. Bei Guggenmos, der fast sein ganzes Leben in Irsee verbrachte, liegt der seltene Fall vor, dass die Texte eines vermeintlichen Kinderschriftstellers auch dann nicht verblassen, wenn ihr Leser längst ins Erwachsenenalter vorgerückt ist. Wenn gerade die Lyrik von Guggenmos Kinder und Erwachsene gleichermaßen anzusprechen vermag, so ist das nicht das Ergebnis dichterischen Kalküls. Derart zu schreiber vermochte nur einer, der sich im Erwachsenenleben einen offen staunenden Blick auf die Welt bewahrt und nicht verlernt hatte, gerade die Natur in ihrer Vielfalt wahrzunehmen. Damit gelang es ihm, an Saiten zu rühren, die einen fernen, verloren geglaubten Klang wieder aufleben lassen. Unglücklicherweise sind von den rund fünfzig Büchern, die Josef Guggenmos veröffentlicht hat, die allermeisten inzwischen vergriffen. Da trifft es sich gut, dass der Verlag Beltz & Gelberg jetzt ein Buch herausgebracht hat, in dem etwa 300 Gedichte gesammelt sind, darunter auch einige bisher unveröffentlichte. Die Auswahl besorgte mit Hans-Joachim Gelberg ein Mann, der Guggenmos viele Jahre als Verleger begleitet hat und somit als Kenner des Werks gelten darf. Guggenmos’ Gedichte sind Betrachtungslyrik, für die es kennzeichnend ist, dass sie gerade im Unscheinbaren das Besondere entdeckt. Gewiss schreibt er auch Verse auf das Nilpferd und den Elefant, doch ist ihm ein besonders lieber Gegenstand, was kreucht und fleugt im Gras und zwischen den Zweigen. Dabei kommt er, wo er das Kleine in Augenschein nimmt, ganz ohne Verniedlichungen aus, und wenn er doch mal einer 'Lindennuss' ein 'Köpflein' andichtet, ist das die Ausnahme von der Regel. Süßlichkeit war Guggenmos’ Sache nicht.

    Heimeliges Aroma Ein heimeliges Aroma enströmt den Versen jedoch allemal. Bei aller Heiterkeit, die den Großteil des Werks umfängt, bleibt Schattiges nicht völlig ausgespart, etwa in jenem Gedicht über die zwei Eintagsfliegen, die sich darüber grämen, dass es an ihrem einzigen Lebtag ununterbrochen regnet: 'Wozu sind uns Flügel gegeben? / Wir dürfen nicht tanzen, nicht schweben. / Welch ein verregnetes Leben!'Der von einfachen Reimschemata und klaren Satzstrukturen herrührende, auf Metaphorik verzichtende Volkston überspielt dabei leicht die Tatsache, dass Guggenmos ein Meister seines Metiers war, der mit einer präzise gesetzten metrischen Verschiebung plötzlich und virtuos einen ganz neuen Horizont eröffnen konnte. Was an dieser Sammlung nicht zuletzt freut, ist die würdige Aufmachung des Buches. Das gilt nicht nur für die geschmackssicheren farbigen Zeichnungen, Collagen und Schnitte von Sabine Friedrichson, sondern auch für Typografie und Gestaltung. Ein Sammelband, der das Zeug zum Hausbuch hat. i Josef Guggenmos: Groß ist die Welt. Die schönsten Gedichte. Mit Bildern von Sabine Friedrichson. 206 Seiten, Beltz & Gelberg, Weinheim 2006, 24,90 Euro.

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