Landtagswahl Kandidat Dr. Josef Kirchmann wechselt nach 44 CSU-Jahren zur Bayernpartei">

Artikel: Der die Stammtischreden ernst nimmt

6. September 2008 00:00 Uhr von Allgäuer Zeitung
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Landtagswahl Kandidat Dr. Josef Kirchmann wechselt nach 44 CSU-Jahren zur Bayernpartei

Westallgäulado lEr ist kein Königstreuer und war noch nie in Neuschwanstein - Dr. Josef Kirchmann entspricht so gar nicht dem Klischee des Bayernpartei-Mitglieds. Geliebäugelt hat der frühere Rettenberger Bürgermeister schon seit Jahren mit der Exoten-Partei. Nach 44 Jahren CSU ist er heuer übergetreten.

Er bewirbt sich im Stimmkreis 710 (Lindau, Sonthofen) als Direktkandidat um das Landtagsmandat, das Eberhard Rotter innehat. Den Weilerer schätzt er als "sachkundig und fleißig".

Die Partei und Landrat Kaiser haben ihn als "Belastung" gesehen, nachdem er im Vorjahr wegen Betrugs, Untreue und Vorenthalten von Arbeitsentgelt zu einer Geldstrafe verurteilt worden war. Nach zwölf Jahren war damit die Bürgermeisterkarriere beendet.

Kirchmann gilt als vorbestraft, an den Stammtischen stoße er allerdings "auf sehr viel Verständnis" beteuert der studierte Theologe; er spüre sogar "eine gewisse Solidarisierung". Der Staatsanwalt hatte festgestellt, dass Kirchmann nicht in die eigene Tasche gewirtschaftet , sondern sich für Dritte eingesetzt habe.

1946 in Bad Hindelang geboren, wurde Kirchmann im Alter von 18 Jahren Mitglied der CSU und der Jungen Union. "Die CSU war immer meine politische Heimat, obwohl ich von Anfang an eine heimliche Liebe zur Bayernpartei empfand," sagt er im Pressegespräch.

Während des Theologie- und Philosophiestudiums in Augsburg war Kirchmann im Ring Christlich Demokratischer Studenten aktiv. Dann Ortsvorsitzender der Hindelanger Jungen Union und von 1981 bis 1985 deren Kreisvorsitzender. "Dort habe ich als Mann der Basis die politische Arbeit gelernt." 1985 bis 96 war er Ortsvorsitzender der Rettenberger CSU, ehe er Bürgermeister des Dorfes am Grünten wurde.

Auf die 33 Prozent, die er bei der Bürgermeister-Wahl in Isny 1992 erreichte, ist er stolz. Dass er in der Ära Kiechle zweimal Zähl-Kandidat auf der Bundestagsliste war, erwähnt er knapp.

Die inhaltliche Abgrenzung zur CSU fällt ihm schwer. Als "Gegner des totalen Überwachungsstaats", oder mit der Frage nach den Millionen für den Transrapid, findet er auch in CSU-Abgeordnetenkreisen Befürworter. Ebenso bei der Forderung nach einem staatlich gestützten Milchpreis, der besseren Unterstützung beim Erziehungsgeld oder bei der Ablehnung von Kombiklassen ("Nutzt die Chance kleiner Klassen"). Auch dass Kinder vornehmlich zu Hause erzogen werden sollen, oder der Ruf nach der Abschaffung des G 8 ist CSU-Anhängern nicht fremd.

Selbst die neuen Akzente, die er in der Energiepolitik setzen will (Solarenergie und Unabhängigkeit vom Öl fördern, mittelfristiger Ausstieg aus der Atomenergie) sind bei der Staatspartei längst angekommen.

Kirchmann, der an der Realschule in Immenstadt (wieder) Deutsch und Religion unterrichtet, trifft am ehesten den Kern der Bayernpartei-Philosophie wenn er von der "liberalitas bavariae" spricht, die ihm am Herzen liegt. Er will "Basisarbeit" machen mit der Bayernpartei, die er realistisch bei eineinhalb bis zweieinhalb Prozent einordnet. Der Landtagskandidat rechnet für sich mit drei bis vier Prozent der Stimmen. An einem 50 plus X -Wahlergebnis der CSU zweifelt er nicht.

"Politiker müssen die Reden am Stammtisch ernst nehmen", betont er. Deswegen wird sich sein Wahlkampf dort abspielen, schon allein weil er keine Säle füllen kann. Und ab Mitte September habe die Schule wieder Vorrang.

Eigenes Bierkrugmuseum

"Bei den "verunsicherten und enttäuschten CSU-Wählern" sieht der heimatverbundene Kirchmann seine Klientel. "Bayern sollte eine Sonderrolle im Bund haben, ähnlich wie Südtirol in Italien", schwebt Kirchmann vor, der dienstags Führungen durch sein eigenes Bierkrugmuseum macht, und zu fast allen der 660 Krüge eine Geschichte zu erzählen weiß, weil er alle bayerischen Brauereien selbst besucht hat.

Der Kandidat im Internet:

www.josef-kirchmann.de