OberstaufenVor 40 Jahren wurde Pfarrer Johannes Netzer in Rom zum Priester geweiht. Am Sonntag findet aus diesem Anlass ein Festgottesdienst in der Oberstaufener Pfarrkirche statt. Riccarda Gschwend sprach im Vorfeld mit dem 65-jährigen Seelsorger über seinen Beruf und darüber, warum vor 40 Jahren vieles anders war.
Vor 40 Jahren wurden Sie zum Priester geweiht, seit 30 Jahren arbeiten sie als Pfarrer. Was mögen Sie an Ihrem Beruf besonders?
Netzer: Es ist ähnlich wie im Gleichnis vom Sämann: Auch wenn viele Samen untergehen, einige gehen doch auf. Und das ist schön zu sehen - wenn das, was man tut, Früchte bringt. Wenn man bei den Menschen ankommt und ihnen hilft, ihr Leben durch den Glauben zu bereichern. Besonders spüre ich das bei Kindern, die vertrauensvoll auf einen zugehen. Oder wenn ich Eheleuten, die nicht wissen, wie es weiter gehen soll, einen Rat geben kann. Das sind schöne Momente in meinem Beruf.
Ist es denn nicht so, dass sich immer mehr Menschen von der Kirche abwenden - wird Ihr Rat noch oft gesucht?
Netzer: Was abgenommen hat, ist die Kirchlichkeit. Ob die Gläubigkeit abgenommen hat, kann ich nicht beurteilen. Das heutige Leben ist kompliziert, jeder soll mobil und flexibel sein - viele Menschen haben seelische Verwundungen. Das sieht man auch daran, dass psychosomatische Erkrankungen zunehmen. Deshalb ist der Bedarf an Seelsorge eher gewachsen. Viele Leute können nicht mehr so einfach ihr Leben leben wie früher. Und sie suchen Rat - nicht nur bei Ärzten und Psychologen, auch bei Pfarrern.

Aussehen, Gefahr, Risiko
Bettwanzen-Invasion auch in Deutschland? So erkennt ihr die Parasiten
Wenn Sie an Ihre Anfangszeit zurück denken - was hat sich in den letzten 40 Jahren wesentlich verändert?
Netzer: Wir haben heute mit einigen Schwierigkeiten zu kämpfen, die es früher in dieser Form nicht gab. Ein Problem ist zum Beispiel, dass die Seelsorgeräume größer geworden sind. Früher betreute ein Pfarrer eine Pfarrei, heute eine ganze Pfarreiengemeinschaft. Dadurch ist es schwieriger geworden, den persönlichen Bezug zu den Menschen herzustellen. Vor 40 Jahren konnte ein Pfarrer bildlich gesprochen tatsächlich noch ein Hirte sein. Heute geht viel Zeit mit Verwaltung und Organisation verloren. Das bedeutet weniger Zeit für die Seelsorge, für die Verkündigung des Glaubens - also für das, was den Beruf des Pfarrers ausmacht.
Gibt es weitere Herausforderungen, die es früher in der Form nicht gab?
Netzer: Die Menschen sind kritischer und selbstständiger geworden. Das ist einerseits natürlich gut - macht für uns die Sache aber auch schwieriger. Es reicht nicht mehr, wenn der Pfarrer sagt: Am Sonntag geht ihr in die Kirche. Er muss argumentieren und erklären, was sehr anstrengend sein kann. Früher gab es eine "Volkskirche", die ganze Gemeinde lebte in dieser festen Struktur - diese Selbstverständlichkeit der Volkskirche ist weggebrochen.
Wie kam es überhaupt dazu, dass Sie Pfarrer geworden sind? War dieser Weg schon irgendwie vorgezeichnet?
Netzer: Der Weg war nicht vorgezeichnet, aber das hat sich ganz normal entwickelt: Der gelebte Glaube in der Familie als Vorbild, eine gute Beziehung zu meinem Heimatpfarrer. So ist der Wunsch in mir gewachsen, den Menschen Wege aufzuzeigen, wie sie ihr Leben sinnerfüllt leben können. Beflügelt hat mich auch das Zweite Vatikanische Konzil - auch wenn sich nicht alle Erwartungen erfüllt haben. Als ich in Freiburg und Rom studiert habe, habe ich gemerkt: Das passt.
Festgottesdienst ist am Sonntag, 19. Oktober, um 10 Uhr in der Kirche St. Peter und Paul in Oberstaufen. Die Festpredigt hält Pfarrer Michael Mayr, der auch konzelebriert. Der Kirchenchor singt die Messe in G von Franz Schubert. Anschließend gibt es einen Umtrunk mit Imbiss auf dem Kirchplatz. Den Abschluss des Festtags bildet ein Abendlob um 19 Uhr in der Pfarrkirche.