Von Vitalis Held, Biessenhofen - Biessenhofen und Bärenmarke. Das ist nicht nur die Erfolgsgeschichte einer beliebten Kondensmilch. Das ist auch ein Stück Ortsgeschichte, Industriegeschichte und Geschichte der Milchwirtschaft. Heuer feiert diese Bärenmarke Jubiläum: Vor 90 Jahren wurde in Biessenhofen erstmals eine ungezuckerte Kondensmilch mit 10 Prozent Fett produziert. Noch heute gehört sie als 'Die Ergiebige' zur Bärenmarke-Familie. 'Nichts geht über Bärenmarke, Bärenmarke zum Kaffee' heißt ein eingängiger Werbeslogans der Nachkriegszeit. Nichts geht über Bärenmarke. Dies gilt auch für die 150 Mitarbeiter in dem 620 Beschäftigte zählenden Werk Biessenhofen von Nestlé. Die bekannte Marke erfüllt die Mitarbeiter mit Stolz. Kaum einer sagt: 'Ich arbeite bei Nestlé.' Es heißt einfach: 'Ich schaff' bei der Bärenmarke.' Und wer am Gelingen von Kaffeetraum und Alpensahne mitwirkt, ist froh, dass er die Stammmarke des Hauses herstellt. Rückblende: 1905 war Biessenhofen ein kleines Dorf mit Bahn- und Poststation. Unter der Marke Alpursa siedelt sich ein Betrieb der Bernalpen Milchgesellschaft an. Aus Bern brachte man das Wappentier mit ins Allgäu: Den sitzenden Bären, der sein Kind im Arm wiegt. Den Namensgeber der Bärenmarke. 1912 verarbeitete das Milchwerk gerade mal 2,3 Millionen Liter Milch von neun Liefergenossenschaften. 'Heute gibt es schon Bauern, die liefern alleine 500000 bis 600000 Kilogramm Milch aus ihrem Stall', weiß Peter Alexander, für die Milcherfassung bei Nestlé Biessenhofen zuständig. Heuer werden rund 49 Millionen Kilo Milch im Betrieb verarbeitet. Unter Vertrag steht eine Milcherzeugergemeinschaft mit 313 Bauern. Die Milch wurde anfangs an den Käsküchen gesammelt und mit Pferdefuhrwerken ins Werk gebracht. Immer stärker wurde die Milch auch auf Verunreinigungen und Krankheitserreger untersucht. In den 50er Jahren gab es einen eigenen Werkstierarzt zur Bekämpfung von Viehseuchen. Ab 1971 stellte man auf Milchsammelwagen um. 1991 verschwand so die letzte Käseküche.
Dosenproduktion in Weiding Einen Einschnitt brachte das Jahr 1992: Die Produktion von Kondensmilch in Dosen wurde nach Weiding verlagert. In Biessenhofen werden seither nur noch die Fläschchen und Portionspackungen hergestellt. Doch während der Dosenmarkt immer stärker von Discountmarken besetzt wird, bleibt das Geschäft im 'Premiumbereich' (Glasflaschen) stabil, berichtet der Biessenhofener Werksleiter Christian Brunner. Dadurch bleibt die für Bärenmarke eingesetzte Belegschaft stabil. Weitere Produkte aus Biessenhofen sind hyperallergene Babynahrung, Cerealien-Breie für Kleinkinder und Thomy-Saucen. Doch ehe aus Rohmilch mit rund 3,7 Prozent Fettgehalt die original Bärenmarke wird, sind viele Verarbeitungsstufen nötig. Dietmar Fichtl und seine 50 Mitarbeiter in der Produktionsabteilung sind dafür an sechs Tagen pro Woche in drei Schichten im Einsatz. Täglich verarbeiten sie 60000 Kilo Milch, untersuchen sie auf Fettgehalt und Arzneimittelrückstände, pasteurisieren die Milch (kurzzeitige Erhitzung) und homogenisieren (Fett-Zerkleinerung) sie. Am wichtigsten ist es, den Fettgehalt einzustellen. Dafür muss bei einer Temperatur von 40 bis 75 Grad unter Vakuum die überschüssige Flüssigkeit herausdampfen. Das fertige Kondensat wartet in Riesen-Tanks auf die Abfüllung. Thomas Kalcher ist als Gruppenleiter für diesen Part zuständig. Mit seinen 34 Mitarbeitern befüllt er rund 70 Millionen Flaschen pro Jahr. Über die Fließbänder laufen nicht nur Flaschen für den Inlandsmarkt. Sie gehen auch nach Italien und Belgien, Hongkong, Chile und Panama. Wichtig sind aber auch die Kunden vor Ort. 'Natürlich Bärenmarke!' So antwortet Biessenhofens Bürgermeister Erwin Fahr, wenn man ihn fragt, welche Milch in seinem Rathaus in die Milch kommt. Denn Bärenmarke ist für ihn aus vielen Gründen ein wichtiger und angenehmer Partner: Der Betrieb bringt der Gemeinde einiges an Gewerbesteuer und 'der sehr sozial eingestellte Arbeitgeber' bietet vielen einen Arbeitsplatz. Zudem, so lobt Fahr, verfüge die Firma über eine eigene Wasser- und Abwasserversorgung, so dass hier die Gemeinde nicht die aufwändige Infrastruktur stellen muss. Und so wundert es kaum, dass Fahr vor kurzem zuschlug, als er beim Trödel ein altes Email-Schild mit dem Biessenhofener Bären entdeckte: Die alte Werbetafel ziert nun sein Büro.