Von Christine Rothauscher Kempten Verwaltungsangestellte auf dem Friedhof - das lässt an eine dunkel gekleidete Frau mit Trauermiene denken. Auf Iris Weis trifft dieses Klischee überhaupt nicht zu. Das beweist schon die sportlich helle Kleidung, die sie bei ihrer Arbeit auf dem katholischen Friedhof gerne trägt. Also, ein Beruf wie jeder andere? 'Gewiss nicht, aber es geht nicht um Äußerlichkeiten, wenn Hinterbliebene zu uns kommen', weiß sie. Wer kennt es nicht, dieses leise Frösteln beim Betreten der Aussegnungshalle? Und wer geht schon gerne an einem frisch aufgeschaufelten Grab vorbei? Für Iris Weis sind diese Plätze keine Orte zum Gruseln, es sind ihre Arbeitsplätze. Wer zu der 36-Jährigen kommt, hat meist einen nahe stehenden Menschen verloren und will von ihr wissen: Wie geht es weiter, wo kann der Verstorbene seine letzte Ruhestätte finden? Wie läuft eine Urnenbestattung ab? Diese Fragen hört die Verwaltungsangestellte jeden Tag. 'Dann helfe und tröste ich halt, höre mir still Leidensgeschichten an', erzählt sie, 'und wenn ein Hinterbliebener vor lauter Kummer nicht weitersprechen kann, nehme ich mir viel Zeit. Denn seelische Zuwendung sei in diesem Beruf wichtiger als Rechnungen schreiben. Vor fünf Jahren hat Iris Weis zum ersten Mal das kleine Büro neben der Aussegnungshalle betreten. Mit ihrer Kollegin Claudia Keisinger arbeitet sie seither dort in Wechselschichten.
Dass diese Verwaltungsarbeit nur die wenigste Zeit auf dem Bürostuhl stattfindet, merkt man spätestens, wenn man an einem Arbeitstag dabei ist: Durch die Büro-Südfenster strahlt an diesem Tag die Novembersonne. Ein gelber Strauß Rosen duftet durch den Raum und auf den ersten Blick würde niemand auf die Idee kommen, dass sich in dieser freundlichen Atmosphäre alles um Tot, Gräber und Trauer handelt. Bis ein älterer Herr zur Tür hereinkommt. Eine Sterbeanzeige hält er in der Hand und will von der Friedhofsangestellten wissen, wo das Grab seines ehemaligen Kollegen liegt. Iris Weis zeigt zuerst auf einen quadratmetergroßen Lageplan, nimmt den Trauernden dann spontan am Arm und begleitet ihn zu der gesuchten Grabstätte. Wieder zurück, erklärt sie, dass derzeit über 6000 Gräber auf dem katholischen Friedhof angelegt seien: 'Da ist die Suche für einen Fremden fast hoffnungslos.' Sie dagegen kenne den Gottesacker metergenau, weiß, dass es ihn schon rund 200 Jahre lang gibt 'und im ältesten Grab von 1821 der damals bekannte Kaufmann Josef Johann Zumstein liegt'. Wieder steht ein Besucher am Bürotresen. Er will ein Doppelgrab anpachten. Für ihn und seine Ehefrau, weil sie schon zu Lebzeiten eine Ruhestätte auf diesem Friedhof absichern wollen. Mit Iris Weis geht es kreuz und quer durch die Friedhofswege, um einen Platz auszusuchen. Makaber übrigens empfindet die Verwaltungsangestellte diese Grabplanung so wenig wie die Tatsache, dass ihr Schreibtisch nur durch eine Wand von der Leichenhalle getrennt ist: 'Warum auch? Der Tod hat nichts Schauriges, die Menschen leben, sie sterben und alle brauchen eine letzte Ruhestätte'.