Kempten | bec | Als die Polizisten die Wohnung betraten, verschlug es ihnen die Sprache. Eigentlich waren sie gekommen, um eine siebenjährige Schulschwänzerin in den Unterricht zu bringen. Stattdessen riefen sie aber das Jugendamt, das die sofortige Unterbringung des Kindes im Heim anordnete. Wie kurz berichtet, lebte die Siebenjährige mit ihrer 43-jährigen Mutter zwischen Bergen von Müll und verschimmelten Essensresten. Das Jugendamt zog sofort die Konsequenzen. Doch warum war die Polizei überhaupt im Spiel? Muss jeder, der einen Tag unentschuldigt in der Schule fehlt, mit Besuch in Grün rechnen?
"Das natürlich nicht", sagt Jugend-, Schul- und Sozialreferent Benedikt Mayer. Die Polizei werde nur mit einem Auftrag von Schule oder Jugendamt aktiv. "Allzu oft kommt das nicht vor", sagt Mayer. Jedoch seien die Schulen dafür verantwortlich, die Schulpflicht durchzusetzen. Und komme ein Kind unentschuldigt nicht zum Unterricht, müsse die jeweilige Schule allein aus Sicherheitsgründen klären, wo der Schüler abgeblieben ist. "Natürlich gibt es da ein abgestuftes Verhalten und es wird nicht sofort die Polizei gerufen", betont Mayer. Aber wenn man eben über die Eltern, deren Arbeitsstellen oder Bekannte nicht weiterkomme, blieben den Schulen nur das Jugendamt oder die Polizei.
Und wie oft rückt die in Sachen Schulschwänzer aus? "2007 hatten wir im Allgäu insgesamt 40 Fälle", sagt Präsidiumssprecher Edmund Martin. Sowohl zu Hause als auch am Vormittag auf der Straße oder in Spielhallen würden die Jugendlichen dann aufgegriffen. Jugendliche wohlgemerkt: "In der Regel sind da keine Grundschüler dabei, sondern ältere Schüler." Und weil die offensichtlich gerne mal aus einer Freistunde zwei machen, suche der Jugendbeamte regelmäßig die einschlägig bekannten Stellen ab. Wer erwischt wird, kann mit bis zu 100 Euro zur Kasse gebeten werden - ober eben stellvertretend die Eltern.
Sogar Strafanzeigen drohen
"Wenn wir tatsächlich vor der Haustür stehen, ist das nicht, weil jemand ein Mal nicht in der Schule war," sagt Martin. Mit der Polizei bekämen es nur die Dauerschwänzer zu tun. Deren Eltern drohten in Einzelfällen sogar Strafanzeigen: wegen Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht. "Aber das sind Ausnahmen", sagt Martin.
