Der Sohn des früheren Lehrers Anton Herz kann sich gut an seine Kindheit erinnern. Schon vor 50 Jahren gab es in der Familie Karteikästen voller Zettel. Zettel mit Wörtern, die sein Vater sammelte. "Zwearle" stand da (dünner Brei) oder "Botr (Perlen des Rosenkranzes). Nicht gerade die Wörter, die ein Lehrer seinen Schülern beibringt, sondern eher Dialektwörter, die ein Lehrer auch von seinen Schülern lernt.
Als Anton Herz, der 1925 in Ebenhofen geboren wurde und die Mundart natürlich selbst mit der Muttermilch aufgesogen hat, schon lange im Ruhestand war, bekam er zum 75. Geburtstag einen Computer. Und nun wanderten die Zettelkästen auf die Festplatte. Ein mehrjähriges Unterfangen. Denn mittlerweile gab es viele Tausend dieser Zettel mit genauen Angaben zu jedem Wort: Wo wird es gesprochen? In welchem Zusammenhang wird es verwendet? Wo stammt es her?
Dieses wohl einmalige Archiv, so erzählte er nun im Marktoberdorfer Hartmannhaus, sollte der Zukunft erhalten bleiben. Daher hatte sich Herz vor einiger Zeit an Georg Ried, den Vorsitzenden des Mundartkreises Ostallgäu gewandt. Der setzte sich für die Veröffentlichung des Nachschlagewerkes ein. Und nun präsentierte der Förderverein "Mundart Allgäu" im Heimatmuseum das fertige Projekt: 500 Seiten dick und inhaltlich gewichtig.
Das Werk beinhaltet die Ernte dessen, was Herz ein Leben lang an Wörtern aufgeklaubt hat. Viele Wörter kannte der Bauerssohn Herz aus seiner Kindheit. Doch immer wieder trugen ihm Bekannte und Freunde weitere Wörter an. Entstanden ist so eine Sammlung, die von "A, a" (mundfaules Nein) bis "zwulche" (grob gewirkt) reicht.
Insellage Rettenbachs
Besonders ergiebig war seine 20-jährige Lehrertätigkeit in Rettenbach am Auerberg. Der Ort sei bis kurz nach dem Zweiten Weltkrieg so schlecht an "die Außenwelt" angebunden gewesen, dass sich wie auf einer Insel alte Wörter erhalten hätten. So wurde Rettenbach lange noch postalisch als "Rettenbach bei Biessenhofen" geführt.
Herz freute sich nun, dass sich eine Befürchtung des Brauchtumsforschers Karl Reiser nicht bewahrheitete. Dieser hatte 1895 das Buch "Sagen, Gebräuche, Sprichwörter des Allgäus" verfasst und gemeint, es sei "fünf vor zwölf" für die Erfassung überlieferter Mundart.
Dass die Mundart immer noch lebendig sei, hoben die Redner bei der Buchvorstellung hervor. Simon Gehring, Vorsitzender des Fördervereins Mundart Allgäu, bezeichnete es als "einmaliges Nachschlagewerk". Landrat Johann Fleschhut sagte, die Mundart sei Ausdruck von Charakter und Persönlichkeit. Er freute sich, bekannte, aber lange nicht gehörte Wörter wie "Krätte" (Korb) zu entdecken. Dass das Wort "krass" als überlieferter Ausdruck in dem Buch stehe, stelle eine Verbindung von Vergangenheit und Zukunft her.
Georg Ried, Vorsitzender im Mundartkreis Ostallgäu, bezeichnete Herz als "wissenschaftliches Mitglied" des Vereins. Er verwies auf rund 15 Mundart-Autoren, die in der Region Bücher veröffentlichen. Markus Brehm, der als Geschäftsführer des Allgäuer Zeitungsverlages in Kempten den Druck unterstützt hatte, meinte, er bewundere Menschen, die eine solche Heimatverbundenheit zeigen. Bei Herz sei aus Passion Profession geworden.
Das Buch ist zum Preis von 19,80 Euro erhältlich bei den Servicecentern der Allgäuer Zeitung. Zudem kann es unter der Telefonnummer 0831/206-190 bestellt werden.
www.mundart-allgaeu.de
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