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Das Weizenkorn muss sterben

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Das Weizenkorn muss sterben

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    Das Weizenkorn muss sterben
    Das Weizenkorn muss sterben Foto: matthias becker

    Von Ingrid Grohe|ScheffauDieFastenzeit steht für Christen im Zeichen der Vorbereitung auf Ostern. Doch vor der Auferstehung stehen Leiden und Tod Jesu. In 14 Stationen beschreiben Bildnisse in katholischen Kirchen die Passion - von der Verurteilung durch Pilatus bis zur Grablegung - und laden Gläubige zu Gebet und Meditation ein. Im sechsten Teil unserer Serie beschreiben wir dieKreuzwegtafelnin derScheffauerKirche St. Martin.

    Wer an einem stürmischen Frühlingstag das Dorf Scheffau besucht, kann ein paar Minuten hängenbleiben am Blick auf einen dramatischen, wolkenverhangenen Himmel über verschneiten Vorarlberger und Schweizer Bergen. Im Kirchlein St. Martin scheint ihm dieser Himmel wieder zu begegnen. Er bestimmt viele der 14 Kreuzwegstationen, die ein unbekannter Künstler Ende des 18. Jahrhunderts gemalt hat.

    Der Scheffauer Kreuzweg ist auf Augenhöhe aufgehängt und deswegen viel besser zugänglich als viele dieser Zyklen in anderen Kirchen. Die Bilder zieren marmorierte, verschnörkelte Einfassungen mit blattversilberten Textbändern und einem krönenden blattvergoldeten Kreuz.

    Vermutlich hat sich der Künstler alle Mühe gegeben, die bereits vergangene Zeit des Barock in seinen 14 Stationen nachzuempfinden. Gewänder mit üppigem Faltenwurf, ein lebendiges Licht- und Schattenspiel und die betonte Tiefe des Hintergrundes weisen darauf hin. Dominierende Farbe ist Blau, welches sich im Firmament wie in den Gewändern von Jesus und seiner Mutter wiederfindet.

    Freilich war der Maler kein ganz großer Meister - die arme Gemeinde Scheffau hätte sich solche Kunst nicht leisten können. Und so sind die Gesichter der Kreuzwegfiguren nicht sehr charaktervoll.

    Den Auftrag, biblisches Geschehen anschaulich zu erzählen, erfüllt der Scheffauer Kreuzweg dennoch auf ansprechende Weise. In vielen Details finden sich deutliche Aussagen: die Güte des Simon in seinem väterlich anmutenden, bärtigen Gesicht, die Zuwendung der Veronika in ihrer gebeugten Haltung, die Brutalität der Soldaten in ihren blanken Rüstungen, prallen Muskeln und üppigem Federschmuck auf den Helmen.

    Erstaunlich die Ausführung der VIII. Station: Jesus begegnet den weinenden Frauen. Beim Scheffauer Kreuzweg sind nicht mehrere Frauen dargestellt, sondern eine. Sie hat ein Kind im Arm, das andere an der Hand und ruft somit den Bibeltext in Erinnerung: 'Jesus wandte sich zu ihnen und sagte: Ihr Frauen von Jerusalem, weint nicht über mich; weint über euch und eure Kinder!' (Lukas 23, 28-31).

    Ein erschütternder Höhepunkt der Bilderfolge ist - wie oft in Kreuzwegdarstellungen - die X. Station: Jesus wird seiner Kleider beraubt. Hoffnungslosigkeit, Resignation. Auf dem Ölbild in Scheffau schaut sich der Entblößte fast fragend um.

    Besonders intensiv sind dem unbekannten Künstler die XIII. und die XIV. Station gelungen: Ein Schwert kommt aus dem Nichts und droht die Mutter Maria zu durchbohren, als man ihr ihren toten Sohn in den Schoß legt. Das letzte Bild - die Grablegung - zeigt den bleichen Leichnam in einer fast die ganze Tafel ausfüllenden Erdhöhle. Und unwillkürlich wird der Betrachter erinnert an die Parabel vom Weizenkorn, das sterben muss, um später Frucht zu tragen.

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