Markwart Herzog lädt Wissenschaftler nach Irsee, die über Fußball reden Irsee Fußball in der Literatur und die Schlachtgesänge der Fans: Nur zwei Themen der Tagung 'Fußball in Kunst und Kultur der Moderne', zu der Wissenschaftler aus unterschiedlichen Fachbereichen am Wochenende nach Irsee kommen. Dr. Markwart Herzog, Bildungsreferent der Schwabenakademie, hat die Tagung organisiert. Dirk Ambrosch sprach mit dem 42-jährigen Anhänger des 1. FC Kaiserslautern über das Interesse am runden Leder.
Wie haben Sie das Bundesligafinale verdaut?
Herzog: Ach, das war heuer nicht so schlimm. Richtig dramatisch war es doch vergangenes Jahr, als am letzten Spieltag noch vier Mannschaften absteigen konnten. Dennoch. Wenn man heuer die Bilder aus München gesehen hat, wo sich honorige Persönlichkeiten in den Armen liegen und feiern, da muss man doch sagen: Das ganze Gerede um Geld, Geschäft und Millionen ist Kokolores.
Im Fußball liegt die Wahrheit bekanntlich auf dem Platz. Warum dann also diese Tagung in Irsee?
Herzog: Wenn es ums Spiel geht, liegt die Wahrheit auf dem Platz, das ist richtig. Aber der Fußball hat vielfältige Wahrheiten. Es geht schon um Geschäft, Effizienz, aber auch um Dinge, die wahr sind, weil sie mitreißen. Wir veranstalten diese Tagung, weil Fußball ein Kulturphänomen ist, ein Element der Massenkultur. Diese Elemente werden heute immer wichtiger als die der sogenannten Hochkultur.
Wie meinen Sie das?
Herzog: Nun, man kann hier quasi von einem Sieg der Massenkultur über die Hochkultur sprechen. Denn es gehen doch heute viel mehr Leute ins Stadion als zum Beispiel in die Museen. Die Menschen tun das, weil Fußball einfach zu verstehen ist, auch ohne Vorbildung. Die brauche ich aber, wenn ich beispielsweise ein Gemälde von Tintoretto anschaue, oder ein Gedicht von Goethe oder Rilke lesen will.
Was fasziniert Menschen an dem Sport?
Herzog: Die Stimmung, wenn sich das Stadion langsam füllt. Diese Sehnsüchte, Emotionen und Enttäuschungen auf Rängen und Rasen, das Wechselspiel zwischen Spielern und Fans. Und ganz wichtig: Im Gegensatz zum Theater ist auf dem Rasen der Ausgang der 'Inszenierung' immer offen.
Wie kamen Sie auf die Idee zu dieser Tagung und was ist das Ziel?
Herzog: Mir kam der Gedanke als ich merkte, Günter Grass schreibt Fußballgedichte, Andy Warhol hat sich in Bildrn mit Fußball befasst, und es gibt einen Musikwissenschaftler, der die Schlachtgesänge der Fans erforscht. Dass Fußball also in Bereiche hineinspielt, die von Haus aus nichts damit zu tun haben. Auf der Tagung geht es darum, wie Fußballsport und andere Kulturbereiche sich gleichsam die Bälle zuspielen. Eigentlich ist das aber nichts Besonderes. Bei jeder interdisziplinären Tagung, greifen wir ein Thema auf, das für Menschen von heute wichtig ist.
Sind Sie zufrieden mit Ihrer 'Mannschaftsaufstellung'?
Herzog: Ja. Ich bin zufrieden mit den Referenten, die zugesagt haben. Einige kannte ich schon, andere habe ich auf Empfehlungen hin eingeladen. Die Vorbereitung hat etwa zwei Jahre gedauert. Wichtig wird die Harmonie der Referenten untereinander, aber da bin ich zuversichtlich. Ein gewisses Risiko muss man einfach eingehen. Das ist wie bei einem Trainer, der eine Mannschaft auf den Rasen schickt: Der weiß auch nicht, ob sein Regisseur gut spielt und der Libero das Spiel lenkt.
Haben Sie selbst Fußball gespielt?
Herzog: Nur in der Schulmannschaft. Ich stamme aus einem Akademikerhaushalt. Da war Fußball bäh! Wenn ich zum Spielen ging, musste ich meine Shorts immer unter der normalen Hose verstecken.
Nennen Sie bitte spontan ein Buch und ein Lied, in denen es um Fußball geht.
Herzog: Da fällt mir ein: Ödön von Horvath 'Jugend ohne Gott' und 'Der Theodor, der Theodor, der steht bei uns im Fußballtor'.
Letzte Frage: Welche Fußballweisheit hat sich Ihnen besonders eingeprägt?
Herzog: 'Das Spiel dauert 90 Minuten'. Eigentlich trivial, doch da steckt die ganze Dramatik drin. Dauert das Spiel aber mal ein paar Minuten länger, dann darf man trotzdem nicht einen Zentimeter nachgeben so wie der FC Bayern letztes Jahr in Barcelona.