Theorie Heimatforscher Matthias Thalmair tippt auf das Werk römischer Landvermesser">

Artikel: Das Rätsel der geradlinigen Straßen und Wege

15. Oktober 2008 00:00 Uhr von Allgäuer Zeitung

Theorie Heimatforscher Matthias Thalmair tippt auf das Werk römischer Landvermesser

Schwangau/Füssen | pas | Wer von oben auf die Ebene zwischen Füssen, Schwangau und dem Forggensee blickt, dem fallen die geradlinigen Straßen und Wege auf, die wie ein Gitter die Fläche durchziehen. Matthias Thalmair, der sich intensiv mit der Geschichte des Füssener Landes befasst, hat dazu eine Theorie entwickelt. Er ordnet diese auffällige Wegeführung der römischen Landvermessung und -nutzung zu. Sollte diese Behauptung stimmen, läge im Füssener Land der Nachweis für die erste bekannte römische Landvermessung nördlich der Alpen vor.

Thalmair legt die Aufzeichnungen dem römischen Vermessungswesen zugrunde. Außerdem ist es eine häufige Tatsache, dass über Jahrtausende die Trassen bereits vorhandener Wege häufig ausgebaut worden sind zu neuen Straßen. Oder es wurden neue Straßen in enger Anlehnung an vorhandene Wege gebaut. Die Via Claudia Augusta, die alte B16, die im Forggensee versank, und die heutige B 16 sind dafür ein Beispiel.

Mehr Villen rund um Schwangau?

Grund für die Römer, eine Vermessung in der Ebene bei Schwangau vorzunehmen, könnte gewesen sein: Die Versorgung des einstigen römischen Kastells in Füssen, das mit dem Hohen Schloss überbaut worden ist. Die landwirtschaftlichen Betriebe (villa rustica) lagen in der Regel abseits von den Kastellen.

Am Fuß des Tegelbergs ist eine römische Ansiedlung mit mindestens 15 Häusern nachgewiesen, ebenso eine "villa rustica" nahe der Brunnener Bucht. Wissenschaftler sind davon überzeugt, dass diese wenigen landwirtschaftlichen Betriebe nicht ausgereicht hätten, um neben der Eigenversorgung zusätzlich Soldaten und deren umfangreichen Begleittross ausreichend zu versorgen. Vermutlich liegen noch unentdeckte landwirtschaftliche Betriebe unter dem Boden rund um den Forggensee. Denn nachgewiesen ist, dass jeder "villa rustica" ein festes Anbaugebiet zugewiesen worden ist. Vermessungsarbeiten waren dazu notwendig.

Zu unterstellen ist, dass das Gebiet auf Schwangauer Flur mit rund 600 Hektar zu groß gewesen wäre, um es von der bekannten Siedlung am Tegelberg und der "villa rustica" in der Brunnener Bucht allein zu bewirtschaften. Thalmair vermutet deshalb, dass es weitere landwirtschaftliche Betriebe gegeben haben muss.

Als Ausgangspunkt für sein nachvollzogenes römisches Vermessungsnetz wählte Thalmair den auffälligen Ehberg, der sich aus der freien Ebene erhob. Die Blickverbindung von dort zur Römervilla am Tegelberg, die unter dem jetzigen Bergbahngebäude liegt, ergab die eine Achse für das Vermessungsnetz. Darauf wurde dann rechwinklig mit der Groma (römisches Vermessungsgerät) die Vermessungslinie festgelegt.

Unter Berücksichtigung des Geländes erfolgte dann auf den beiden Achsen eine Längenvermessung, die zu einem rechtwinkligen Gitternetz über den gesamten Raum führte.

Wegen der Versorgungsfahrten zum Füssener Kastell könnte von der "villa rustica" am Tegelberg ein geradliniger Weg vorbei am Bullachberg und am Kienberg zum Lech geführt haben. Möglich, dass an einer engen Stelle unterhalb der Länder eine Brücke den Fluss überspannte oder Furten hinüber zum Kastell führten.

Auch eine am Ostufer des Forggensees parallel zur Via Claudia Augusta nach Norden führende Römerstraße erscheint wahrscheinlich. Thalmair nennt sie Via Licca Diversa. Möglich, dass über diese Straße Magnus 746 nach Füssen gelangt ist.