Fürstensaal Classix Bei den öffentlichen Proben zum Kemptener Kammermusik-Festival feilen Profimusiker an jedem Takt - Heute Abend findet das erste Konzert statt">

Artikel: "Das Piano soll wie eine Harfe klingen!"

24. September 2008 00:00 Uhr von Allgäuer Zeitung
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Fürstensaal Classix Bei den öffentlichen Proben zum Kemptener Kammermusik-Festival feilen Profimusiker an jedem Takt - Heute Abend findet das erste Konzert statt

Von Michael Dumler |Kempten"Ich bin derjenige, der das verbrochen hat", sagt ein Mann in Jeans und schwarzem Jackett, der gestern Vormittag gegen 9.15 Uhr in die erste öffentliche Probe des Kemptener Kammermusik-Festivals "Fürstensaal Classix" hineinplatzt. Die fünf Bläser um den Pianisten und künstlerischen Festival-Leiter Oliver Triendl begrüßen grinsend den vermeintlichen Störenfried: Paul Engel ist der Komponist des Werkes "Resonanzen - Dans le style français", das die sechs Musiker gerade einstudieren und das beim fünften und letzten Festivalkonzert am kommenden Sonntag (17 Uhr) aufgeführt wird.

Und sogleich macht sich Paul Engel an die Arbeit mit den Musikern. Systematisch zerpflückt er sein Werk, das eine virtuose und diffizile Hommage an die französische Musik darstellt - passend zum diesjährigen Festival-Motto "Vive la France". "Das Fortissimo ist nicht emotional, sondern nur laut", fordert der 58-Jährige. Und als die Musiker die Passage erneut spielen, hebt er die Arme und ruft "Ja!".

In Reutte (Tirol) wurde er geboren und war jüngstes Mitglied einer Musikerdynastie, die als "Engel-Familie" von 1948 bis 1978 weltweit Konzerte gab.

Von 1968 bis 1973 hatte er an der Staatlichen Hochschule für Musik in München Komposition bei Günter Bialas und Wilhelm Killmayer studiert (zudem Dirigieren und Klavier). Seit 1987 ist er freischaffender Komponist und Dirigent. "Ich möchte den Menschen und seine Existenz in den Mittelpunkt stellen, ihn nicht in Frage stellen", sagt er über seine Arbeit. "Für mich ist entscheidend, was sich aus einem Ton weiterentwickeln kann", umreißt er sein ästhetisches Konzept, das auch in den "Resonanzen" deutlich wird.

"Oliver, bitte mehr arpeggio, das Klavier soll hier wie eine Harfe klingen", sagt Engel zu Triendl.

Partitur füllt sich mit Notizen

"Jede Stimme muss hier gleich sein", kommentiert er darauf das Zusammenspiel von Philippe Berrod (Klarinette) und Szabolcs Zempléni, dem Solo-Hornisten der Bamberger Symphoniker. Und wieder einige Minuten später sagt er zum finnischen Fagottisten Jaakko Luoma: "Das Fagott muss klar herauskommen, alle anderen Instrumente klingen hier aus." Hin und wieder huscht ein zufriedenes Lächeln über das Gesicht der Querflötistin Rozália Szabó, als sie wieder eine komplexe Passage gemeistert hat. Und Nora Cismondi, Solo-Oboistin des Orchestre National de France, notiert sich Engels Kommentare in ihre Partitur. "Das klingt schon ganz gut, aber bitte noch einmal diese Passage", fordert Engel. Und als der zweite Durchlauf klappt, schauen alle zufrieden drein.

"Diese Musiker sind hervorragende Instrumentalisten", lobt Engel hinterher. Und dann sitzt er auch schon wieder im Auto, das ihn an seinen Wohnort in der Nähe von Frankfurt bringen wird. Am Sonntagvormittag will er bei der Hauptprobe mit den Musikern noch den Feinschliff machen. Dazu hat der "Composer in Residence" des Kammermusikfestivals, der Franzose Nicolas Bacri, etwas mehr Zeit (siehe nebenstehenden Bericht).