Von Stephan Schöttl, Kaufbeuren - Der erste Versuch einen Gesprächstermin mit Anja Diebold zu vereinbaren, scheint deren Beziehung zum Kaufbeurer Tänzelfest perfekt wiederzuspiegeln. Es ist mittags, kurz nach 13 Uhr. Aus dem Wohnwagen der Diebolds riecht es nach Mittagessen. 'Ich habe jetzt keine Zeit. Gleich kommen der Platzmeister und viele andere Gäste zu mir zum Essen', sagt sie. Die Augsburger Schausteller gehören eben schon zur großen Tänzelfest-Familie. Seit 50 Jahren sind sie mit ihrem Autoscooter Stammgast auf dem Kaufbeurer Tänzelfest - inzwischen bereits in der dritten Generation. Beim zweiten Anlauf klappt es dann schließlich doch mit dem Treffen. Angefangen hat alles im Jahr 1955. Damals noch auf dem alten Festplatz am jetzigen Plärrer. Einen Autoscooter ganz aus Holz hatten die Großeltern der heutigen Besitzer, Donat und Karoline Diebold, aufgebaut. 1975 übernahmen die Schwiegereltern von Anja Diebold, Eugen und Bruni, das Fahrgeschäft und heute sind es Anja und ihr Mann Eugen, die mit dem Autoscooter Jahr für Jahr auf den Tänzelfestplatz kommen. 'Ich bin mit meinem Mann jetzt 21 Jahre zusammen und seitdem komme ich auch nach Kaufbeuren', sagt die Chefin. Es gefalle ihr und ihrer Familie in der Wertachstadt. Viel Zeit, einige Stunden fernab des Rummelplatzes zu verbringen, bleibt Anja Diebold aber nicht. 'Eigentlich habe ich dafür nur in der Woche des Aufbaus Zeit', sagt sie. Danach lässt sie der Alltag nicht aus seinen Fängen. Läuft das Geschäft? Macht die kleine zweijährige Tochter Jade keine Dummheiten? Ist das Helferteam bestens verpflegt? So geht es von Ostern bis Oktober, Jahr für Jahr. Immer auf Reise. Ein Leben im Wohnwagen auf rund 50 Quadratmetern, aber mit allem Luxus - vom Fernseher bis zur geräumigen Badewanne.
'Es ist anstrengend. Aber ich habe mich an diese Rolle gewöhnt und sie macht mir Spaß', sagt Diebold. Auf dem Tänzelfestplatz ist der Austoscooter der Schausteller-Familie Treffpunkt der Jugendlichen: Fahren, Flirten, Frauen klar machen. So ist es seit Jahrzehnten und es hat sich auch bis heute nicht geändert. Laute, trendige Musik, sich kennen lernen, treffen. 'Es ist eine Art Freiluft-Disco', sagt Diebold. Sie ist sich sicher: Autoscooter hat für Jugendliche nichts von seiner Attraktivität verloren. Das gleiche Spiel seit vielen Jahren. Nur ein kleiner Unterschied: Früher wurden die Elektroflitzer meistens von Vätern gefahren, die schützend den Arm um ihr Kind legten. Heute diene der Autoskooter vermehrt der Pärchenbildung unter Jugendlichen. 'Außerdem ist der Konkurrenzkampf unter den Schaustellern stärker geworden', sagt sie. Man müsse immer auf dem neuesten Stand sein. Sowohl beim äußeren Erscheinungsbild des Fahrgeschäftes als auch bei der technischen Ausstattung. 'Deshalb haben wir auch in den Wintermonaten nur wenig Pause. Dann wird bereits alles für die neue Spielzeit gerichtet', erzählt die Schaustellerin. In fünf Tagen zieht Familie Diebold weiter. Was zuvor in vielen Tagen anstrengender Arbeit aufgebaut wurde, wird dann in wenigen Stunden von den Mitarbeitern in Kleinteile zerlegt und auf vier Packwagen geladen. Doch eines ist bereits sicher: Auch nächstes Jahr wird der Diebold-Autoskooter wieder ein Mittelpunkt des Rummels sein. Das verspricht Platzmeister Günther Becker: 'Bei den Diebolds passt alles. Sie haben sozusagen eine dauerhafte Tänzelfest-Garantie.' i Noch bis Montagabend ist der Vergnügungspark am Festplatz geöffnet: Donnerstag und Montag von 14 bis 23 Uhr, Freitag von 14 bis 24 Uhr, Samstag von 13 bis 24 Uhr und Sonntag von 10.30 bis 23 Uhr.