Kempten | mr: "Das Geschäft mit dem Tod ist grundgesetzwidrig"

23. Dezember 2008 00:00 Uhr von Allgäuer Zeitung
rupert mayr

Vortrag - Weihbischof und Ethikrat Dr. Anton Losinger spricht an der Hochschule unter anderem über Gentests

Wer dem Streit ausweichen wolle, sei im deutschen Ethikrat wohl nicht das richtige von 26 Mitgliedern, sagte Weihbischof Dr. Dr. Anton Losinger in der er Hochschule. Schließlich gehe es um die entscheidende Frage der Menschheit: "Hat der Mensch ausreichend Verantwortungsbewusstsein für das, was ihm die Forschung in immer größerem Ausmaß zur Verfügung stellt?" Diese Frage beschäftigt auch Professor Dr.Frank Niemeier - und so hatte der Hochschul-Prodekan und Allgäuer Bezirksvorsitzende im Verband Deutscher Ingenieure (VDI) den Weihbischof eingeladen.

Dieser zitierte den Spruch von Albert Schweitzer Anfang der 60er Jahre: "Der Mensch ist heute technisch im Atomzeitalter, aber ethisch in der Steinzeit." Durch die Entzifferung des menschlichen Genoms im Jahr 2001 sieht nun Losinger in den Fragestellungen der Biomedizin die gleich hohe Bedeutung, die im 20. Jahrhundert Themen der Atomforschung beigemessen worden sei. Es gehe dabei um Disziplinen wie Stammzellforschung, Sterbehilfe, Gentechnik und Gehirnforschung. Also Dinge, die laut Losinger jeden Menschen betreffen könnten.

"Wir rechnen damit, dass die neuen Möglichkeiten der Lebenswissenschaften an den Grundwerten der Gesellschaft rütteln können", betonte der Weihbischof. Daher müsse der Ethikrat deutlich über die ethischen Grenzen reden.

Nicht jeder in die öffentliche und politische Diskussion getragene Beschluss des Rats gefällt dem Augsburger Kirchenmann. Beispielsweise ein Gentest an einer Schwangeren, beim dem ein Defekt des Kinds festgestellt und dann der Embryo abgetrieben werde, sei nicht zu billigen. Mit der Menschenwürde unvereinbar sind nach Auffassung Losingers auch Gentests im Zusammenhang mit Einstellungen oder Krankenkassen-Aufnahmen.

Laut Weihbischof sterben in Deutschland pro Jahr 850000 Menschen, über 72 Prozent wegen Krebs oder einer Erkrankung des Herz-Kreislauf-Systems. Die meisten Leute würden sich vor Schmerzen und Siechtum fürchten. Eine noch breitere Palliativmedizin und das intensiv betreuende Angebot der Hospize seien hier eine gute Antwort. Losinger freut sich, dass Ethikrat, Bischofskonferenz und Politik die kommerzielle Sterbehilfe ablehnen.

"Das Geschäft mit dem Tod ist grundgesetzwidrig und menschenunwürdig", betonte er. Sinn mache dagegen eine Patientenverfügung.

Übrigens: Laut VDI hat Losinger auf sein Vortrags-Honorar verzichtet. Der volle Betrag werde der Bildung von Aids-Waisen in Uganda zugute kommen.