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Das Abitur vor 60 Jahren geschrieben

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Das Abitur vor 60 Jahren geschrieben

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    Füssen/Pfronten | cl | Man schrieb das Jahr 1948, als in der Oberrealschule Füssen zum ersten Mal nach dem Zweiten Weltkrieg neun junge Frauen und 18 junge Männer Prüfungen für ihr Abitur ablegten. Kein leichtes Unterfangen für Schüler und Verantwortliche der Schule, die sich damals noch an der Bahnhofstraße befand - dort wo heute das Treffhotel "Luitpoldpark" steht. Einige der damaligen Absolventen treffen sich am Wochenende in Füssen, um dieses Ereignis noch einmal Revue passieren zu lassen.

    "1943 kam der große Einbruch"

    Zwei Tage vor der Währungsreform, am 18. Juni 1948, begannen die Prüfungen, erinnert sich Arnulf Höscheler. Der gebürtige Pfrontener und spätere Maschinenbauingenieur war einer jener 27, die ihr Examen für die Hochschulreife ablegten. "Das erste Schuljahr, es war April 1939, war formal, abgesehen von den politischen Verhältnissen, in Ordnung. Füssen war trotz Krieg, der fünf Monate später begann, noch eine Oase des Friedens", erinnert sich der 80-Jährige an seine Schulzeit. Der Unterricht war ordentlich und vollständig und der Lehrkörper jung - aber nur für kurze Zeit. Ein Lehrer nach dem andern wurde zum Wehrdienst eingezogen, es kamen "Hilfskräfte" und der Unterricht verlief "mehr schlecht als recht", erinnert sich Höscheler.

    "1943 kam der große Einbruch: Die Buben, wir waren damals zwischen 15 und 16 Jahre alt, wurden größtenteils zur Heimatflak einberufen, nur die Mädchen blieben davon verschont."

    1945 kam der Schulbetrieb wieder in die Gänge. Die Klassen wurden aufgefüllt mit Mädchen und Buben, die in und nach den Kriegswirren mit ihren Familien ins Füssener Land verschlagen worden waren. "Zwar war schulisch das Jahr 1946 ein Jahr des Stillstands, um vorhandene Defizite auszugleichen, aber wir waren alle froh, dass es weiterging." Honorige Persönlichkeiten von der Universität, aus der Industrie und ehemalige Lehrer, oftmals schon pensioniert, hatten sich für den Schuldienst zur Verfügung gestellt.

    Es wurde viel improvisiert

    1945/46 war an Lehrmitteln so gut wie nichts mehr vorhanden. "Es wurde im höchsten Maße improvisiert. Der von den Lehrern vorgetragene Lehrstoff wurde mitstenografiert, Texte wurden mit der Schreibmaschine mit achtfachem Durchschlag auf schrecklichem Papier geschrieben und verteilt - aber wir schlugen uns durch", so Höscheler. Das galt auch für die Bewältigung des Schulwegs, besonders für die Kinder vom Land. "Klappte das bis 1945 noch mit Privatbussen, so mussten wir unmittelbar nach dem Krieg auf der Ladefläche eines holzgasbetriebenen Lastkraftwagens in die Schule fahren. Vor dem Gemeindehaus in Pfronten wurden noch einige Bänke aufgeladen, so konnten wenigstens die Mädchen sitzen - es war ganz einfach abenteuerlich", erinnert sich der 80-Jährige. Später ging es dann mit einem alten, maßlos überfüllten Bus zur Schule, aber man hatte ein Dach über dem Kopf.

    Nach dem Abitur 1948 wurden die 27 Schulabgänger aufgrund ihrer weiteren Ausbildung mehr oder weniger in alle Winde zerstreut. Sie wurden nach erfolgtem Studium unter anderem Mediziner, Architekten, Ingenieure, Lehrer, Rechtsanwälte - sogar ein katholischer und ein evangelischer Pfarrer waren unter ihnen. Mittlerweile leben nur noch 19 und am Wochenende werden sich zehn - einige kommen bis von Augsburg, München und Nürnberg - wieder treffen und in Erinnerungen schwelgen. "Wir werden am Samstagabend im Hotel Hirsch sein und am Sonntag nach einem Spaziergang am Forggensee im Hotel Kaufmann in Roßhaupten zu Mittagessen und hoffen, dass es uns gelingt, vielleicht in fünf Jahren noch einmal zusammenzukommen", sagt Höscheler.

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