Kempten (pa). - Das morgenfrisch glatt rasierte Gesicht des Richters drückt Verwunderung aus: 'Was wollten Sie denn mit gleich zwei Rasierapparaten?' 'Verkaufen,' räumt der ertappte Ladendieb unumwunden ein. Und was war mit dem DVD-Player, den er in einem anderen Kemptener Geschäft mitgehen lassen wollte? 'Auch verkaufen.'Während diese beiden Fälle rasch wie eine Elektrorasur erledigt sind, wird es beim dritten Anklagepunkt vor dem Kemptener Amtsgericht kompliziert. Dabei geht es um den Diebstahl eines Handys. Und dabei, das ist der springende Punkt, kommt ein Teppichmesser ins Spiel. Laut Gesetz nämlich wird mit mindestens sechs Monaten bestraft, wer 'einen Diebstahl begeht, bei dem er oder ein anderer Beteiligter eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt.'Nun fragt man sich, wozu jemand ein Teppichmesser braucht, wenn er ein Mobiltelefon stehlen will. Ganz einfach: Um rasch mal einen Karton aufzuschlitzen, damit man das Handy entnehmen und unter der Kleidung leichter verstecken kann. Genau so sollen die zwei Angeklagten, 30 und 26 Jahre alt und seinerzeit beide arbeitslos, im vergangenen November im Kemptener Media Markt vorgegangen sein. Demnach hat der Ältere, dem auch die beiden 'Solodiebstähle' angelastet werden, den Karton aufgeschlitzt, und sein Kumpan hat das Handy an sich genommen. Deshalb hängt er bei dem angeklagten 'Diebstahl mit Waffen' nun auch mit drin, obwohl er selbst von einem Teppichmesser überhaupt nichts gewusst haben will. Im Gegensatz zu seinem Freund bestreitet er auch, dass er das Diebesgut habe zu Geld machen wollen: 'Ich wollte das Handy behalten und nicht verkaufen.' Was ihm nun wiederum Richter Dr. Harald Harteis nicht abkauft: 'Von einem Handy kann ich doch nicht abbeißen. Wenn ich kein Geld habe, klaue ich doch eher was zum essen, oder ich verscherbele das Handy.'Doch soweit kam es erst gar nicht. Denn weil die beiden dem Hausdetektiv bei der Videoüberwachung verdächtig vorkamen, wurden sie 'gefilzt'. Wobei allerdings der 30-Jährige das Teppichmesser schon nicht mehr bei sich trug: Das fand man auf einem Tisch, wo er es rasch hingelegt haben soll.
'Das ist die reine Lüge''Das mit dem Teppichmesser ist die reine Lüge,' entrüstet sich der 30-Jährige. Zu dünn für eine Verurteilung sei die Beweislage, argumentieren die Verteidiger. Schließlich könne das Messer ja auch ein Angestellter des Marktes da abgelegt haben. 'Bei uns liegen keine Teppichmesser herum,' beteuert hingegen der Hausdetektiv. Staatsanwältin und Richter halten die Angeklagten, die beide beträchtlich vorbestraft sind und demnächst in Memmingen wegen ähnlicher Taten erneut vor Gericht stehen werden, für überführt. Wegen gemeinschaftlichen Diebstahls mit Waffen wird der Jüngere zu neun Monaten verurteilt, der Ältere, bei dem die zwei Einzeltaten noch hinzu kommen, erhält ein Jahr und sechs Monate. Bewährung gibt es für beide nicht.