Kurz nach 18.30 Uhr war die Überraschung perfekt: Die Mehrheit der abstimmenden Lindauer hat sich im gestrigen Bürgerentscheid für den Hauptbahnhof in Lindau-Reutin ausgesprochen. 53,13 Prozent der knapp 8500 Bürger, die zur Urne gingen, folgten der Bürgerinitiative 'Hauptbahnhof Reutin mit eingleisiger Schienenanbindung Insel' um den ehemaligen OB-Kandidaten Rainer Rothfuß.
Die notwendige Anzahl an Ja-Stimmen wurde mit 4487 deutlich überboten, so dass der Entscheid gültig ist. Die Abstimmungsbeteiligung lag bei knapp 44 Prozent. Als Rothfuß um 18.13 Uhr den Sitzungssaal der Stadtverwaltung betrat, lagen die ersten Ergebnisse bereits vor.
Unterreitnau hatte sich mit über 63 Prozent für den Hauptbahnhof in Reutin ausgesprochen. Die Briefwähler votierten knapp gegen die Vorlage der Bürgerinitiative, dann aber folgten deutliche Ergebnisse aus Oberreitnau und Zech. Wenig überraschend die klare Ablehnung auf der Insel. Hier waren 76,22 Prozent der Abstimmenden gegen die Vorlage. Bis zum zwölften Stimmbezirk blieb offen, ob es für eine Annahme reichen würde. Als dann als vorletztes Ergebnis das 62-Prozent-Votum aus einem der drei Stimmbezirke in Reutin eintraf, war faktisch klar, was kurz darauf Gewissheit wurde: Die Bürgerinitiative hatte Erfolg.
Der mit 20 zu 10 Stimmen im vorigen Jahr erfolgte Beschluss des Stadtrates für die so genannte Kombi-Lösung, die den Verbleib des Hauptbahnhofes auf der Insel und einen Bahnhalt in Reutin vorsah, ist damit ebenso aufgehoben wie das klare Votum derjenigen Lindauer, die sich beim Bürgerentscheid im Dezember mehrheitlich für diese Kombi-Lösung ausgesprochen hatten. Die Abstimmungsbeteiligung lag damals mit 40,9 Prozent niedriger als jetzt.
Zerknirschte Petra Seidl
Heftiger Applaus der rund 80 Bürgerinnen und Bürger im engen Sitzungssaal, ein vor Glück strahlender Rainer Rothfuß auf der einen Seite, eine sichtlich zerknirschte Noch-Oberbürgermeisterin Petra Seidl auf der anderen – das waren die ersten Reaktionen, als das vorläufige Endergebnis feststand.
Rothfuß hätte sich ein deutlicheres Ja gewünscht – 'aber nachdem sich die bisherige Oberbürgermeisterin und auch ihr Nachfolger dagegen ausgesprochen hatten, war klar, dass dies viele Lindauer verunsichert', so Rothfuß. Sehr positiv wertete er die Unterstützung, die er in den letzten Wochen erfahren habe. Die von ihm angeführte Bürgerinitiative will jetzt das weitere Verfahren begleiten und insbesondere 'der Bahn auf die Finger schauen'.
Ihren Nachfolger, Dr. Gerhard Ecker, sieht die abgewählte Oberbürgermeisterin Petra Seidl vor einer schweren Aufgabe. 'Es wird für ihn und den Stadtrat sicher nicht leicht, dieses Votum umzusetzen', so Seidl. Sie habe sich eine Ablehnung der Vorlage erhofft, damit es zu einer schnellen Umsetzung der Kombi-Lösung hätte kommen können.