Bierbrauen sieht die Gesellschaft normalerweise als Männerdomäne. Ähnlich wie Biertrinken. Aber genauso wie es auch biertrinkende Frauen gibt, gibt es auch Braumeisterinnen. Eine von ihnen ist Stephanie Meyer (35) aus Nesselwang.
Als die Frage anstand, wer den elterlichen Traditions-Braubetrieb übernimmt, überlegte Stephanie Meyer kurz: "Bier? So schlimm kann das ja gar nicht sein." Jetzt braut sie besondere Biere, die sich von industriell gebrauten Bieren unterscheiden sollen.
Frauen am Braukessel? Die Leute nehmen das durchweg positiv auf. "Es kommt dann natürlich als Erstes die Frage: Wieviel vertragen Sie denn? Aber da können wir auch ganz gut mithalten", erzählt sie augenzwinkernd. Meist seien es gestandene Mannsbilder bei Brauereiführungen, die die Braumeisterin fragen: "Trinken Sie überhaupt Bier?" Eine Frage, die man den männlichen Brauerkollegen wohl nicht stellen würde.
Wer braut das bessere Bier? Frau oder Mann? Auf diese Frage antwortet Stephanie Meyer zunächst mit einem Ausflug in die Braugeschichte. "Bier ist ca. 8.000 Jahre alt, 7.000 Jahre lang haben es die Frauen gebraut. Erst seit ungefähr 1.000 Jahren brauen auch Männer Bier." Also historisch gesehen eigentlich eine Frauen-Domäne? Zumindest glaubt die Braumeisterin, dass die Qualität des von Frauen gebrauten Bieres nicht schlechter sei als das der männlichen Kollegen.
"Von Frauen gebrautes Bier schmeckt anders", sagt sie. Frauen wären beispielsweise kreativer und experimentierfreudiger mit Zutaten und Zusatzstoffen. Während "männlich" gebrautes Bier entweder bitter oder mild ist, haben Braumeisterin Meyers Biere oft mehrere Dimensionen an Aromen. Frauen spielen mit süßen und bitteren Inhaltsstoffen. Einmal beispielsweise hat sie ein Bier gebraut, das nach Zartbitter schmeckt.
Im Familienunternehmen ist sie nicht die erste Frau an der Spitze. Im Jahr 1909 bereits hatte die Urgroßmutter von Stephanie Meyer den Betrieb übernommen. Genau 100 Jahre später wurde aus der Postbrauerei die Craft-Bieren. Die Postbrauerei existiert zwar weiter, ist aber nicht mehr Teil des Nesselwanger Familienunternehmens.
Mit der Spezialisierung auf Craft-Biere hat die Braumanufactur einen neuen Weg eingeschlagen. "Mir macht es sehr viel Spaß, solche Biere zu entwickeln", sagt die Braumeisterin. Craft-Biere sind ein Trend aus den USA. Hier handelt es sich um handwerklich hergestellte Biere im Gegensatz zu Industriebieren. Craft-Biere entstehen meist in kleinen Brauereien von Hand in geringer Stückzahl. Man könnte es mit "Spezialitäten-Bier" übersetzen. Braumeisterin Stephanie Meyer will dieses Jahr die 1.000-Hektoliter-Marke knacken (zum Vergleich: Die Erdinger Weißbräu hat einen Bierausstoß von ca. 1,5 Millionen Hekoliter pro Jahr).
Craft-Biere heißen nicht "Pils", "Helles" oder "Weizen", sondern "Liberalitas Bavariae", "Allgäu Kräuter-Märchen", "Braukatz Nummer 1 Pale Ale" und "Hopfen Royal". Die hohe Qualität und handwerkliche Arbeit, zusammen mit aufwändiger Flaschengestaltung, schlägt sich natürlich im Preis nieder. Die 0,75-Liter-Flasche "Liberalitas Bavariae", ein Weizen-Starkbier, kostet direkt im Gasthof zum Mitnehmen 12,50 Euro. Dafür gibt es im Getränkemarkt schon mal einen ganzen Kasten "normales" Bier.
Über den Beruf der Braumeisterin hinaus hat Stephanie Meyer vor vier Jahren auch die Zusatzausbildung zum Bier-Sommelier abgeschlossen. "Sommelier" heißt normalerweise der Weinkellner in gehobenen Restaurants. Seit einigen Jahren gibt es eben auch Sommeliers für Bier. Ihr beim Entwickeln und Abstimmen eines Bieres zuzusehen, erinnert allerdings schwer an die Vorgehensweise eines Weinexperten. Farbe, Blume, Aromen: Ein hochwertiges Bier wird ähnlich begutachtet wie guter Wein. Als Empfehlung für Liberitas Bavariae schlägt die Braumeisterin dann auch vor, dieses Bier aus einem Rotweinglas zu genießen statt aus einem herkömmlichen Weizenglas.
Auch ihre Beschreibung der Biere erinnert an Weinkenner-Sprache: "Unser Braukatz Nummer 1 Pale Ale hat eine schöne Malznote, da ist eine Vollmundigkeit da, es hat eine schöne Hopfenkombination aus zwei sogenannten Flavor Hops, Cascade und Mandarina Bavaria, die bringen eine gewisse Bitterkeit ins Bier, aber auch eine schöne runde Fruchtnote. Dadurch, dass so viel Aroma von den Malzen und den Hopfen drin ist, ist es eher zum Genießen als zum schnellen Trinken geeignet." Klasse statt Masse, könnte man sagen. Bei der Herstellung wie auch beim Trinken.