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Artikel: Blick auf das Allgäu. aus der Ferne weckt Interesse

13. November 2008 00:00 Uhr von Allgäuer Zeitung

Interview Ernst T. Mader geht der Frage nach, wie der Obergünzburger Karl Nauer in die Südsee und zu seiner Bedeutung kam

Obergünzburg | sg | Seine in der Südsee gesammelten Kunst- und Kulturgegenstände finden sich in den bedeutenden Völkerkundemuseen Deutschlands. In Bremen ist sein Bild neben dem der weiteren Mitbegründer der Südseesammlung des Museums, Otto Finsch, Ludwig Cohn und Hugo Schauinsland, ausgestellt. Dort findet sich auch ein Modell des 584-Bruttoregistertonnen-Dampfers "Sumatra". Mit diesem Schiff bestritt Anfang des 20. Jahrhunderts der Obergünzburger Karl Nauer als Kapitän den Liniendienst zwischen den Siedlungen im Bismarck-Archipel und den nördlichen Salomon-Inseln. Über den Obergünzburger Kapitän Nauer ist nun - wie gestern berichtet - ein Buch des Blöcktacher Autors Ernst T. Mader erschienen. Unsere Zeitung stellte ihm dazu ein paar Fragen.Mader: Mir gegenüber gibt es bisher nur positive Reaktionen, nicht zuletzt von offiziellen Vertretern des Marktes Obergünzburg. Gegensätzliche Bewertungen sind im Umlauf spätestens seit 1913 (Nauer-Sammlung in Obergünzburg, Ehrenbürgerschaft), verstärkt durch das Buch "Anker auf!" des Otfried von Hanstein (1934). Mein Eindruck ist, dass die Korrektur dieses oberflächlichen, unkritischen Bildes bzw. die Etablierung eines verlässlichen Bildes, also die fundierte Darstellung von Leben und Wirken Nauers im Wesentlichen durchaus geschätzt wird.

Wie sind Sie auf Karl Nauer gestoßen? Warum (erst) zu diesem Zeitpunkt? Was hat Sie am meisten an der Person interessiert?

Mader: Ich habe ab 2001 (nachdem ich bereits in den 1990er Jahren ein Jahr dort verbracht hatte) fünf Jahre in Ungarn gelebt und gearbeitet. Ich glaube, dass dieses Leben in einem für mich zunächst völlig fremden Land mich dazu gebracht hat, auch auf meine Allgäuer Heimat noch einmal einen neuen Blick zu werfen; ich erinnere mich an meine damalige Frage in Ungarn: Was ist denn am Allgäu exotisch? Ich habe sie von Ungarn aus an Leute im Allgäu gestellt, viele Antworten bekommen, darunter auch den Hinweis auf den mir bereits bekannten Karl Nauer, dem ich (ohne einen Grund nennen zu können) bis dahin aber nicht viel Beachtung geschenkt hatte. Der neuerliche Hinweis auf ihn traf mich nun wohl in einer dafür sehr empfänglichen Verfassung.

Was hat Sie an Karl Nauer besonders interessiert?

Zunächst sicher der für mich ungewöhnliche Umstand, dass jemand aus dem abgelegenen Allgäu seinen Weg hinaus in die Welt sucht und findet, ausgerechnet vom Wasser und von Schiffen fasziniert ist, einen für hiesige Verhältnisse doch sehr ungewöhnlichen Beruf (Seemann/Kapitän) ergreift und ihn auch noch in einer derart exotischen Umgebung wie der Südsee ausübt und Spuren hinterlässt, die heute noch auch außerhalb des Allgäus deutlich sichtbar sind (Völkerkundemuseen in Bremen und anderswo). Dann erst kamen die Fragen: Was waren mögliche Motive? Was war das für ein Mensch? Wichtige Wege zu Antworten wies mir am Anfang Karl Fleschutz (bis 2006 Leiter des Heimatmuseums Obergünzburg). Die Entdeckung von Widersprüchen und Lücken hielt das Interesse wach.

In dem Buch versuchen Sie eine Annäherung an die Person Nauer - kritische Bewertungen finden statt. So zum Beispiel, dass er seine Sammelleidenschaft weniger aus Leidenschaft denn aus egoistischer Ordenssucht entdeckt hat. Kritisch gesehen wird auch seine Einstellung zu den Einwohnern Neuguineas. Auch seine Gesinnung in der Zeit des Dritten Reiches wird angesprochen. Gibt es bereits Reaktionen aus Obergünzburg auf diese Einschätzungen? Gibt es gegensätzliche Bewertungen?