Man müsste es eigentlich mit eigenen Ohren hören, wie Gertrud Menzel im breitesten Unterallgäuer Dialekt und voller Leidenschaft über ihre Rolle schwärmt. Dann könnte man sich auf Anhieb vorstellen, wie die 47-jährige Memmingerin als "Geierwally" auf der Illertisser Schwabenbühne steht und dem Vater Paroli bietet, der sie ein Leben lang geschlagen hat und der nichts anfangen kann mit dieser eigenwilligen Tochter, die er allein groß ziehen musste.
Am Wochenende war Premiere und das Publikum folgte gebannt - und begeistert - den dramatischen Szenen, die sich auf der Freilichtbühne neben dem Vöhlin-Schloss abspielten. Und auch hinter der Bühne war die Lage zu Beginn der Aufführung nicht nur vor Lampenfieber ziemlich angespannt: Im strömenden Regen musste der Moritatensänger, der die Zuschauer in Brechtscher Manier auf das Spiel einstimmen sollte, hinaus. Deshalb beschlossen die anderen kurzerhand, die durchsichtigen Plastikumhänge überzuziehen, die eigentlich nur für die Proben gedacht waren, um nicht pitschnass zu werden. "Unseren Regisseur Josef Charvat hat fast der Schlag getroffen, als die ganze Meute so aufkreuzte", lacht Menzel. Zehn Minuten später hörte der Regen auf und sie konnten trocken durchspielen.
Große Herausforderung
Doch gerade die feucht-kalte Stimmung gab dem Stück dann die besondere Würze. "In der Szene, in der ich in einer Gletscherhöhle über einen Albtraum nachsinne, kam ich mir wirklich wie in einer Bergwelt vor", schwärmt Menzel. Und sprudelt gleich mit leuchtenden Augen weiter über die "klasse Herausforderung" dieser Hauptrolle. Weil es im Amateurtheater nur wenige gute Frauenrollen wie die Geierwally gebe, weil es reizvoll sei, eine Figur in ganz verschiedenen Gefühlslagen zu zeigen - und weil sie diesmal fast die ganze Spieldauer über keinen Abgang habe.
"Da ist man die ganze Zeit auf 180", meint Menzel, die in Sontheim geboren ist und auch dort in jungen Jahren schon auf der Bühne stand. Bis sie an einem Workshop für Laienspieler im Kloster Irsee teilgenommen und dort eine Probe der Schwabenbühne gesehen hat, schon damals mit Joseph Charvat als Regisseur. Tief beeindruckt hat sie spontan beschlossen: da will ich auch mitspielen - und schon im Dezember des gleichen Jahres hatte sie ihre erste Rolle in der Winterinszenierung.
Seit 17 Jahren gehört sie nun in Illertissen zu den Stammspielern - auch wenn ihr erster Auftritt eigentlich ein Flop war: weil sie vor lauter Aufregung hyperventilierte, musste sie vorzeitig von der Bühne. Heute weiß sie ihre Atmung zu kontrollieren und dass sie den Text am besten abends vor dem Einschlafen lernt.
Dass sie eine Nacht gar nicht geschlafen hat, ehe sie die Rolle der "Geierwally" angenommen hat, gibt Menzel offen zu. Denn wenn sie so etwas anpackt, dann will sie es auch gut machen. Was sie am Theaterspielen so fasziniert? "Man gibt sich ganz hin. Das gefällt mir daran", sagt die Vergolder- und Faßmalermeisterin mit eigenem Geschäft, die kurze Spielpausen nur in den Jahren eingelegt hat, als ihre beiden Töchter geboren wurden und "wo mer s Haus baut hand".