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Bilder vom bäuerlichen Alltag

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Bilder vom bäuerlichen Alltag

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    Erschütternd eindringlich: Reiner Metzgers Fotoband einer Oberallgäuer Landwirtsfamilie. Von unserem Redaktionsmitglied Klaus Schmidt Gunzesried/Oberstdorf 'Der Natur auf der Spur!' So wirbt ein Plakat für das Gunzesrieder Tal. Es kombiniert Bergblumen vor der Kulisse eines prächtigen Schneegebirges mit einen Naturburschen, der einem geschmückten Kranzrind eine Glocke umbindet. Momentaufnahmen, die das Allgäu zweifellos bietet ­ allerdings nur, wenn sich Landschaft oder Menschen besonders herausputzen. Doch wie sieht der Alltag aus, welche Bilder hält er bereit? Dieser Frage geht das neue Buch des Oberstdorfer Fotografen Reiner Metzger auf den Grund: 'Konrädler'.

    Ein Jahr lang hat der 44-Jährige eine Bauernfamilie, wie sie seiner Meinung nach im Oberallgäu die Norm darstellt, auf ihrem Hof beobachtet, sich mit ihrem Leben auseinander gesetzt, die Menschen und ihr Zuhause portraitiert. Menschen, die Landwirtschaft, trotz des Einsatzes moderner Maschinen, immer noch in traditioneller Form betreiben. Menschen, die, wie viele andere Kleinbauern, auf Nebenerwerb und Zimmervermietung angewiesen sind, um ihre Existenz zu sichern.

    Das Ergebnis dieser behutsamen Annäherung sind über 80 kunstvolle Schwarz-Weiß-Aufnahmen. Sie fügen sich durch ihre wohlüberlegte Anordnung zu einer Bildgeschichte von zum Teil erschütternder Eindringlichkeit. In einer dem Film verwandten Dramaturgie führt sie den Betrachter ganz allmählich ins Zentrum des Geschehens, den kleinen Ort Gunzesried oberhalb von Sonthofen. Dort lebt die Familie von Herbert Waibel, die sich bereit erklärte, an dem Projekt mitzuwirken. Sie wird im Dorf Konrädler genannt, nach dem Namen des Hauses, in dem sie lebt. Der wiederum geht auf den Großvater von Waibel zurück, der mit Vornamen Konrad hieß.

    Zum Gehalt der Dinge vordringen

    Die Konrädler, die uns Fotograf Reiner Metzger vorstellt, sind neben Waibel seine Frau Josefine, seine drei erwachsenen Kinder Patricia, Michaela und Tobias, seine beiden Enkelinnen Carolin und Leonie sowie sein Vater Josef. Metzger zeigt diese Menschen nicht in gestellten Posen, sondern in Alltagssituationen. Diese hält er nicht in schnellen Schnappschüssen fest, sondern in wohldurchdachten Einstellungen. Sein Ziel ist es, wie er in seiner Einführung schreibt, nicht nur Oberfläche abzulichten, sondern zum 'Gehalt der Dinge' vorzudringen oder sich diesem zumindest anzunähern. Dass ihm das gelingt, bescheinigt ihm der Essay 'Belichtung des Gegenwendigen' von Dr. Karlheinz Gradl, der das Buch mit einer Erörterung über die fotografische Kunst Metzgers bereichert.

    In der Tat glaubt der Betrachter bei einigen Portraits der Konrädler, Lebensgeschichten in den Gesichtern lesen zu können. Die Züge von Bäuerin Josefine vor den Hinterteilen einiger Kühe im Stall verraten nicht nur die Mühe, die das Tragen von Milchkannen bedeutet, sondern lassen zugleich die Eintönigkeit dieser wohl jeden Tag aufs neue auf sie wartenden Arbeit erahnen und noch vieles mehr. Ein paar Seiten weiter enthüllt die Nahaufnahme einer Männerhand deutlich, wie körperlich anstrengend die Arbeit war, die diese bisher verrichten musste.

    Genauso ausdrucksstark sind auch die meisten Aufnahmen von der Umgebung geworden: die Sicht auf Dorf und Hof, die Einblicke in Keller-, Arbeits- und Wohnräume. Dabei missbraucht Metzger niemals die offensichtliche Offenheit der Familie ihm gegenüber. Niemals ist das, was er in seinen Fotografien enthüllt, indiskret. Vielmehr sensibilisiert die Ehrlichkeit seiner Arbeit den Blick des Betrachters: zum Beispiel für das, was die beobachtete Familie leistet und wie sie ihr Leben meistert. Metzgers ungeschöntes Dorfpanorama mit Blechdach, Telefonmasten und Stromleitungen ist sicher der Natur mehr auf der Spur als die mit diesem Slogan verzierten Werbeplakate. i'Konrädler. Eine Allgäuer Bauernfamilie zu Beginn des dritten Jahrtausends' von Reiner Metzger ist erschienen im AVA Verlag Allgäu und kostet 68 Mark.

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