Kempten | Von Paul-Gerhard Valeske: Bewegende Aufführung

16. Dezember 2008 00:00 Uhr von Allgäuer Zeitung

Konzert - Johann Sebastian Bachs "Weihnachtsoratorium" berührt das Publikum in der St.-Mang-Kirche

Immer wieder stellt sich die Frage nach der kulturellen und soziologischen Wertigkeit von Musik, besonders wenn es sich um klassische Musik dreht. Und mehr noch wenn es sich um so bekannte Werke wie das Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach handelt, das ja eigentlich für den gottesdienstlichen Gebrauch bestimmt ist. Ist diese Musik reines Konsumgut, oder nur eine weitere schöne weihnachtliche Berieselung, oder will sie mehr bewirken, die Menschen bewegen und musikalisches Zeugnis der christlichen Weihnachtsbotschaft ablegen?

Diesem Spannungsfeld stellte sich Kirchenmusikdirektor Frank Müller mit Solistenensemble, Kantorei und "collegium musicum kempten" mit der Aufführung der ersten drei Kantaten des Werkes in der St.-Mang-Kirche. Zwangsläufig konnte nicht die historische Klanggegebenheit der Bachschen Uraufführung hergestellt werden (damals etwa nur ein Viertel der Musiker). Aber der Interpretationsansatz entsprach barockem Vorbild und damit Bachs eigener Intention. Die Tempi waren stimmig, Tempoübergänge in sich schlüssig, eine kleingliedrige, sprechende Phrasierung und Dynamik ließen keinen Moment Müdigkeit aufkommen.

So heikle Sätze wie die Sinfonia der zweiten Kantate, ein Siciliano, meistens zu langsam und eintönig aufgeführt, oder der Eingangschor der dritten Kantate, oft so monoton ruppig erklingend, hatten Swing und wirkten geradezu tänzerisch.

Souverän gestaltete Sätze

Letzteres galt auch für alle anderen Sätze, die von den Gesangs- und Instrumentalsolisten souverän gestaltet wurden. Lucia Rottenecker, mit ihrem klaren, "engelsreinen" Sopran, gab den Worten des Engels und den Sopranarien Kontur. Sophia Harmsen, ebenfalls mit klarer, für einen Alt angenehm heller Stimme, überzeugte in ihren Arien, beispielsweise in "Bereite dich Zion" und "Schlafe mein Liebster".

Christian Hilz trug mit ebenfalls klarer, wohlklingender baritonaler Bassstimme die Basspartien vor und verschmolz perfekt mit dem Sopran im Duett "Herr, dein Mitleid, dein Erbarmen". Der Tenor Markus Durst gab der nicht leichten Evangelistenpartie sonoren Klang und gute Wortverständlichkeit, auch wenn sie mehr deklamatorisch hätte vorgetragen werden können. Ein großes Lob auch den Instrumentalisten - Trompete, Oboe(n), Flöte, Violine und Continuo-Cello sowie dem ganzen Orchester: Besser gehts kaum.

Die Choräle interpretierte Müller als standfeste Zeugnisse unseres Glaubens, nicht als emotionale Auslegung des Textes. Hierzu sind ja die Ariosi und Arien da.

Die Kantorei setzte die abwechslungsreiche Dynamik einwandfrei um, sang intonationsrein und mit sehr guter Textverständlichkeit, auch die großen Chorsätze und Chorfugen gelangen sehr durchsichtig und klar strukturiert.

Froh machende Verkündigung

Eine Aufführung eines fast schon mit einem Klischee behafteten Oratoriums, die, fernab jeder Routine, den Zuhörer bewegte, froh machte, beschwingt und erfüllt nach Hause gehen ließ, und mehr christliche Verkündigung als Konsum war.