Von Herbert Wittmann Geisenried - Zwischen 1700 und 1702 entstand in Geisenried ein stattlicher Kirchenneubau im Stil des Barock. Im Jahr 1702, also vor genau 300 Jahren, wurde die Kirche geweiht. Sie war damals dem Füssener Kloster St. Mang 'inkorporiert', das heißt Klosterbesitz. Erst 1735/36, unter Abt Dominikus Dierling, erfolgte die Stuckierung des Chorraums durch den Füssener Stuckator Josef Fischer. Wohl gleichzeitig mit dem schönen Bandelwerkstuck bekam der Chor auch seine farbenfrohen Fresken, die schon um 1900 vom gestrengen Dr. Steichele gelobt wurden. Wie durch ein Wunder haben die Deckenbilder und der Stuck im Chor alle Restaurierungen des 19. und 20. Jahrhunderts praktisch unbeschadet überstanden, während die gesamte Altarausstattung und auch die barocke Raumschale des Kirchenschiffs späteren Umgestaltungen zum Opfer fielen - keineswegs zum Vorteil des Kirchenraums! Eines der beiden großen Chorfresken zeigt die Heilige Familie mit Joachim und Anna, den Eltern Mariens. Das Kirchenjubiläum und das Fest der Heiligen Familie am letzten Sonntag des Kalenderjahres sind Anlass genug, das viel zu wenig beachtete Gemälde ein wenig näher zu betrachten. Im Zentrum des Bildes - vorgegeben durch die vertikale Mittelachse - befindet sich der Jesusknabe. Vorausschauend ist sein Blick auf das Kreuz gerichtet, an dem er zur Erlösung der Menschheit sterben wird. Die vom Kreuz ausgehenden Lichtstrahlen symbolisieren Gnade und Erlösungswerk. Auch Maria blickt zum Kreuz, während Josef aus dem Bild herausschaut und mit seiner Linken auf Jesus weist, so, als wolle er dem Betrachter bedeuten, dass dieser der erwartete Messias ist.
Hinter Maria sind zwei reizende Putten zu sehen. Einer von ihnen hält eine weiße Lilie empor, das die Gottesmutter kennzeichnende Symbol der Keuschheit und Reinheit. Entsprechend umfasst der Josef zugehörige Engel einen blühenden Stab, welcher - einer Legende zufolge - den Nährvater Jesu als den auserwählten Freier Mariens zu erkennen gab. Wie die Heilige Familie ebenfalls auf Wolken kniend oder sitzend, folgen in der unteren Bildhälfte Joachim und Anna, über die das apokryphe Jakobus-Evangelium berichtet. Joachim, der den Blick auf Jesus gerichtet hat, war ein greiser Priester, dessen Opfer im Tempel vom Oberpriester zurückgewiesen wurde, weil er nach 20-jähriger Ehe noch keine Nachkommen hatte. Ein Buch weist auf seine priesterliche Tätigkeit hin, die beiden Tauben (das übliche Opfer der armen Leute) bedeuten seine vergebliche Opfergabe. Nach Engelserscheinungen und der Begegnung an der 'Goldenen Pforte' kommt die verheißene Tochter Maria zur Welt. Es war ein hübscher Einfall des Malers, die Mutter Anna mit der Wiege ihres Enkelsohnes darzustellen: IHS - griechisch Jota, Eta und Sigma - sind die ersten drei Buchstaben des Namens Jesus. Die Geisenrieder Fresken sind sehr gut erhalten und weisen keine störenden Übermalungen auf. Da sie jedoch nicht signiert sind und weil auch die Kirchenrechnungen von St. Mang keinen Aufschluss geben, war der Name des Malers bislang unbekannt. Durch Stilvergleich (denn die Bilder zeigen zweifelsfrei seine typische 'Handschrift') lassen sich die Deckengemälde dem 1685 in Pfronten geborenen Maler Johann Heel zuschreiben. Heel hat mehrfach Arbeiten für das Kloster St. Mang ausgeführt und in unserer Gegend Kirchen mit Fresken ausgeschmückt, zum Beispiel in Bernbeuren, Buchloe, Hohenfurch, Mauerstetten oder Roßhaupten. Nach seiner Heirat ließ er sich 1717 in Göggingen nieder. Auch rund um Augsburg gibt es noch in mehreren Kirchen Zeugnisse seiner Malkunst. Für ihn charakteristisch sind die 'eckigen' Falten der Gewänder und lichte, aber eigenwillige gewählte Farben - beides in Geisenried noch sehr schön zu erkennen. Kunstwerke unserer Heimat