Lindenberg. - Das Wirtschaftsministerium spricht von einer europaweit einmaligen Einrichtung. Gemeint ist das 'Bauhaus Luftfahrt' in München, eine Ideenschmiede, in der Techniker und Wissenschaftler verschiedenster Disziplinen am Flugobjekt der Zukunft arbeiten. Gründungsmitglieder sind das Bayerische Wirtschaftsministerium und die Firmen EADS; MTU Aero Engines und Liebherr-Aerospace Lindenberg (Westallgäu). Unser Redaktionsmitglied Peter Mittermeier hat mit Frieder Beyer, Geschäftsführer von Liebherr Aerospace Lindenberg und Professor Dr. Klaus Broichhausen, dem Vorstandsvorsitzenden des 'Bauhaus Luftfahrt' gesprochen:Worum geht es beim Bauhaus konkret?Broichhausen: Wir haben es vor allem mit zwei Stoßrichtungen zu tun. Die erste zielt ab auf die Frage nach dem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umfeld. Wie funktioniert das System Luftfahrt in zehn, 20, 30 oder 40 Jahren? Welche Anforderungen an den Flugverkehr haben die Gesellschaft einerseits, die Passagiere in den wirtschaftsstarken Regionen andererseits. Das zweite ist eine eher technische Frage. Wie sehen die Flugsysteme der Zukunft aus, die diesen Rahmenbedingungen entsprechen. Es geht also um eine Art visionäres Fluggerät. Beyer: Es ist ein neuer Ansatz, weil es beim Bauhaus nicht mehr um die Positionierung einzelner Unternehmen geht. Die Firmen sind bereit, weit über das heutige Maß hinaus ihre Karten auf den Tisch zu legen. Deshalb ist das Bauhaus ein großer politischer Schritt für die Luftfahrt in Bayern und Deutschland. Warum wurde das Bauhaus nicht bei Liebherr, MTU oder EADS angesiedelt, also einer der drei Firmen, die Gründungsmitglied sind?Broichhausen: Wir wollen unkonventionell und überbetrieblich Forschung betreiben. Und wir wollen offen sein für andere Unternehmen. Dazu ist sicher sinnvoll, eine Denkfabrik außerhalb bestehender Unternehmen anzusiedeln. Um das Bauhaus Luftfahrt hatte sich auch die Stadt Lindenberg beworben. Warum ging der Zuschlag an München?Beyer: Erst einmal: Die Gründungsmitglieder haben sich bei der Standortentscheidung bewusst zurückgehalten. Den Ausschlag hat die Anbindung an Hochschulen und die Infrastruktur in München gegeben. Das erleichtert vor allem in der Anfangsphase die Arbeit. Bis wir in Lindenberg hätten starten können, wären zwölf Monate vergangenen, in Garching haben wir in vier Wochen eine funktionierende Infrastruktur. Broichhausen: Wir sind jede Stunde froh in Garching zu sein. Denken sie nur an die kurzen Wege an der Technischen Universität. Wenn ich Auskünfte beispielsweise von einem Statistiker brauche, rufe ich einen Kollegen an, laufe über den Hof und kann mit ihm das Problem diskutieren. Die Alternative wäre gewesen, mit viel Geld ein neues Campus hinzusetzen und die Wissenschaftler für, sagen wir mal, drei Jahre einzukaufen.
Das wurde andiskutiert, dann aber fallen gelassen. Beyer: Für die Firma Liebherr ist es sicher kein Nachteil, dass das Bauhaus nach München kommt. Dort ist es ein Institut unter vielen, dort kann man es in Ruhe hochziehen. In Lindenberg, wo es etwas ähnliches nicht gibt, wäre der Druck auf uns erheblich größer. Enttäuscht sind vor allem Allgäuer Politiker. Die Regierung vernachlässige den ländlichen Raum, wenn es um die Ausstattung mit Forschungseinrichtungen geht Beyer: Die Standortfrage hat sicher in Lindenberg Emotionen ausgelöst, die nachvollziehbar sind. Die objektiven Kriterien haben aber den Ausschlag gegeben, den Start in Garching zu machen. Über die Ansiedlung in Lindenberg hätte Liebherr sich sehr gefreut, wir wären aber auch besonders gefordert gewesen, um die Nachteile der Infrastruktur auszugleichen und auch das Interesse der Mitbegründer wäre reduziert gewesen. Wenn sich das Bauhaus etabliert hat, kann sicher über eine Beteiligung in der Region nachgedacht werden. Dies erfordert aber den abgestimmten, gemeinsamen Auftritt der Region, um eine der Ideenschmiede angemessene, attraktive Einrichtung zu geben. Broichhausen: Lindenberg muss ja nicht leer ausgehen. Wir haben angeboten, hier zu bestimmten Themen eine Summer Academy abzuhalten. Also Workshops, in denen ganz bestimmte Themenbereiche bearbeitet werden. Das Bauhaus wird also in jedem Fall einen footprint, einen Fußabdruck, in der schönen Region hier setzen. Blicken Sie voraus. Wie wird das Flugzeug der Zukunft aussehen?Broichhausen: Das Flugzeug wird sicher hybrider sein: Die großen werden vielleicht mehr Rümpfe haben. Eine andere Tendenz geht in Richtung Nurflügler. Nur sind da einige Probleme nicht gelöst. Ein Beispiel: wer mag im Flügel ganz außen sitzen, wo es ordentlich auf und ab geht?Beyer: Wir werden bei Nah- und Mittelstrecken ganz andere Missionen fliegen. Es wird eine Art Zwischending aus Hubschrauber und Flächenflugzeugen entstehen, das viel kürzere Start- und Landewege erlaubt, ohne den Passagier zu stark zu belasten. Dadurch werden erheblich weniger Ressourcen verbraucht, gerade für Start- und Landebahnen, die heute schon ein Problem sind. Die Kapazitäten lassen sich vielleicht versechsfachen. Liebherr hat hier Rieseninteresse. Landewerke werden eine ganz andere Bedeutung haben als heute, auch das Thema Höhenauftrieb.