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Bei Bergtouren war immer der Zeichenblock dabei

Kempten

Bei Bergtouren war immer der Zeichenblock dabei

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    Bei Bergtouren war immer der Zeichenblock dabei
    Bei Bergtouren war immer der Zeichenblock dabei Foto: markus noichl

    Die Magie von Urlandschaften einzufangen, ist die künstlerische Berufung von Hans Dietmann. Der Kemptener ist ein Meister in der altehrwürdigen Kunst des Radierens (siehe Wortweiser). Rund 2000 Platten sammeln sich mittlerweile in seiner Werkstatt. "Bei 1600 hab ich vor zehn Jahren zu zählen aufgehört", erzählt er. Am heutigen Mittwoch feiert Dietmann seinen 85. Geburtstag.

    Als Porträtist des Gebirges hat sich Dietmann einen besonderen Ruf erworben. Egal ob im Allgäu, Rätikon, Wallis, Engadin oder rund um den Montblanc: Bei seinen ausgedehnten Touren (darunter Montblanc, Matterhorn, Barre des Ecrin und andere Viertausender) war der Zeichenblock stets mit im Gepäck, um markante Kulissen einzufangen. Doch auch Radierungen entstanden direkt in der Natur.

    Ein ganz neues Terrain erschloss Dietmann mit seinen Nachtradierungen im Stuiben-Gebiet, wo er die mondbeschienene Mystik der Nagelfluhkette, ihrer verstreuten Felsblöcke und Baumgestalten auf unnachahmliche Weise festhielt. Dietmann stellte fest: Bei Schnee im Winter reicht sogar das reine Sternenlicht bei Neumond, um die Landschaft herauszumodellieren. Mit den Tourenski pirschte er sich zu seinen Zielen.

    Während des Arbeiten bei nächtlichen Minusgraden war alle halbe Stunde eine Bewegungseinheit zum Aufwärmen nötig.

    Während der Jahrzehnte im Gebirge lernte er Förster und Älpler kennen. "Auf der Alpe Gund beim Stuiben haben sie oft bis Mitternacht gewartet, ob ich von der Sitzung auch wieder zurückkehre", erzählt der wetterfeste Künstler. Der Impuls zu diesen nächtlichen Unternehmungen entstand, weil er als Kunsterzieher oft nachmittags unterwegs war, beim Abstieg mitunter in die Dunkelheit geriet und so unfreiwillig den Zauber der schlafenden Natur studieren konnte.

    Woher die Leidenschaft für Bergkulissen kam? "Meine Eltern haben mich schon früh in die Allgäuer Berge mitgenommen", erzählt der Kemptener. Der Vater habe oft angehalten, um zu skizzieren oder zu fotografieren. "Und irgendwann habe ich dann selbst Taschenkalender vollgekritzelt, um mir die Zeit während dieser Pausen zu vertreiben." Aus dem Abzeichnen wurde ein Gespräch mit den Bergen. Auf eine schamanische Art entwickelte sich ein Gespür für die Seele der Landschaft, für das Ewige hinter den Formen. Dietmann selbst nennt es das "Elementare". Landschaft als Lehrmeister. "Auch Erscheinungsformen, die als chaotisch gelten, ein Gletscherbruch, Bergsturz oder Lawinen, haben ihre eigenen Gesetze und Harmonien, wenn man länger hinschaut."

    Unglaubliche Präzision

    Intensiv studierte Dietmann auch das Spiel von Wasser und Fels auf dem Gottesacker-Plateau im Kleinwalsertal, die in Jahrmillionen entstandenen Rillen und Auswaschungen. Wenn er Farbenspiele festhalten wollte, etwa bei Alpenflora oder den Nuancen eines Nagelfluh-Blocks, entstanden auch Aquarelle.

    Im Laufe der Jahre lernte Dietmann mit unglaublicher Präzision, auch aus der Distanz einen Ausschnitt aus einer Gebirgskette herauszuschälen und zu vergrößern. "Television" nennt er diese Fähigkeit. Und so entstanden Blickwinkel, die sonst nur aus dem Hubschrauber möglich wären.

    Aber auch in der Bretagne, Provence, in Irland und im hohen Norden (Norwegen und Lappland) fand er seine Motive. Trotz einer Parkinson-Erkrankung kann er die Radier-Nadel immer noch präzise führen. "Das ist ein großes Geschenk", sagt er.

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