Von Manfred Herdeegen, Kaufbeuren - 'Die Alliierte Militärregierung hat mich wieder in das von mir in den Jahren 1917 bis 1933 geführte Amt des Bürgermeisters der Stadt Kaufbeuren eingesetzt. Ich habe die Amtsgeschäfte heute aufgenommen.' Mit diesem Aufruf an die Bevölkerung gab Dr. Georg Volkhardt am 2. Juli 1945 die Ablösung des bisherigen ersten Bürgermeisters Karl Deinhardt bekannt. Wenige Tage später verlor auch der Kommandant der Kaufbeurer US-Militärregierung, Major Craig S. Mattice, seinen Posten. Wie kam es zu diesen personellen Wechseln? Kurz nach der Einnahme Kaufbeurens durch amerikanische Truppen am 27. April 1945 zog das 'Military Government Detachment I 11G3' (später: I-370) unter dem Kommando von Major Mattice in den ersten Stock des Rathauses ein. Die Militärregierung sollte die amerikanische Besatzungspolitik, vor allem die 'Entnazifizierung', in der Stadt und im Landkreis Kaufbeuren durchsetzen. Major Mattice führte allerdings ein eher mildes Regiment und zeigte, wie das Landratsamt Kaufbeuren feststellte, viel Verständnis für die Belange der deutschen Behörden und der Bevölkerung. Die Militärregierung beließ sogar den seit Januar 1944 als Bürgermeister amtierenden Generalleutnant a. D. Deinhardt auf seinem Posten, wenn auch nur als ausführendes Organ der Besatzungsmacht. Gegen diese Personalentscheidung wandte sich allerdings ein 'antifaschistischer Ausschuss', der auf Initiative des Sozialdemokraten Robert Glöggler seit Mai 1945 unter nahezu konspirativen Bedingungen im Gasthaus 'Zur Kappl' am Kirchplatz zu regelmäßigen Gesprächen zusammentraf. Dieser informellen Runde gehörten etwa 15 Männer an. Das politische Spektrum der Teilnehmer reichte von politisch verfolgten Kommunisten und Sozialdemokraten bis zum bürgerlich-konservativen Lager, aus dem später die CSU hervorging. Der antifaschistische Ausschuss sprach sich für die Rückberufung des von den Nationalsozialisten 1933 abgesetzten Dr. Georg Volkhardt nach Kaufbeuren aus. Zwei Vertrauensleute des Ausschusses suchten den Wunschkandidaten in Weilheim auf und kehrten mit dessen erklärter Bereitschaft zur Amtsübernahme nach Kaufbeuren zurück. Die Gelegenheit zur Ablösung des bisherigen Bürgermeisters Deinhardt ergab sich schließlich Ende Juni 1945 anlässlich einer Inspektion der Kaufbeurer Militärregierung durch den Vertreter einer vorgesetzten amerikanischen Dienststelle. Oberstleutnant Wolfson schrieb in seinem Inspektionsbericht vom 27. Juni 1945, er habe in Kaufbeuren erfahren, dass der dortige Bürgermeister ein ehemaliger General der Wehrmacht sei. Daraufhin habe er verfügt, Deinhardt umgehend zu entlassen und einen vom Nationalsozialismus 'unbelasteten' Nachfolger zu ernennen. Damit war der Weg für die Rückkehr Volkhardts nach Kaufbeuren frei. Mit Wirkung vom 1. Juli 1945 übernahm er wieder das Amt des Ersten Bürgermeisters.
'Unfähigste Einheit von allen' Oberstleutnant Wolfson übte in seinem Bericht auch heftige Kritik an der Kaufbeurer Militärregierung, die vor allem bei der Entnazifizierung völlig versagt habe. Der örtliche Kommandant, Major Mattice, besitze weder organisatorische Fähigkeiten noch Führungsstärke. Wolfson bezeichnete die Kaufbeurer Militärregierung als die unfähigste Einheit von allen, die er bislang inspiziert habe. Er empfahl dringend ihre Versetzung, zumindest aber die Ablösung des Kommandanten. Die Aufdeckung der Verbrechen in der Heil- und Pflegeanstalt durch eine amerikanische Untersuchungskommission am 2. Juli 1945 dürfte die Abberufung von Major Mattice, die schließlich am 7. Juli 1945 erfolgte, zwar beschleunigt haben, aber allein ausschlaggebend war sie mit Sicherheit nicht. Am 16. Juli 1945 erhielt das Detachment I 11G3 mit Captain Louis H. Burke einen neuen Kommandanten. Die bislang eher zurückhaltende Entnazifizierungspraxis der Kaufbeurer Militärregierung wich fortan einer verschärften 'politischen Säuberung'. Der antifaschistische Ausschuss hatte sich bereits Anfang Juli 1945 aufgelöst, da er mit der Rückkehr Dr. Volkhardts seine Aufgabe als erfüllt ansah. Der neue Bürgermeister ernannte als Vorstufe eines künftigen Stadtrats einen Beirat mit acht Mitgliedern, der am 11. Juli 1945 seine erste Sitzung abhielt. Damit war in Kaufbeuren zumindest der erste Schritt auf dem langen Weg zur Wiederherstellung der kommunalen Selbstverwaltung und ihrer Gremien getan.